Italien | Etliche Angehörige blieben Trauerfeier fern
Genua nimmt Abschied von den Opfern des Brückeneinsturzes
Italien hat Abschied von den Opfern des Brückeneinsturzes genommen. Tausende Menschen drängten sich am Samstag bei einer staatlichen Trauerfeier mit den Spitzen von Staat und Regierung in der Messehalle von Genua.
Allerdings blieben etliche Angehörigen der Trauerfeier fern. Einige zogen private Trauerfeiern in ihren Heimatorten vor, andere boykottierten die Veranstaltung aus Protest gegen die Regierung.
Auch mehrere tausend Einwohner von Genua kamen zu der Zeremonie. "Ich kenne niemanden, der bei dem Unglück getötet wurde. Aber ich wollte trotzdem kommen. So etwas hätte nicht passieren dürfen", sagte der Genuese Claudio Castellaro.
Noch eine Person vermisst
Die vierspurige Morandi-Brücke im Westen der norditalienischen Stadt war am Dienstag während eines Unwetters auf einer Länge von mehr als 200 Metern eingestürzt. 38 Todesopfer wurden bislang identifiziert.
In der Nacht zum Samstag entdeckten Feuerwehrleute weitere Opfer. Laut Medienberichten handelte es sich um ein Ehepaar und dessen neunjährige Tochter. Damit werde nun noch ein Mensch vermisst.
"Der Einsturz der Morandi-Brücke hat Genua mitten ins Herz getroffen. Der Schmerz sitzt tief", sagte Genuas Erzbischof Angelo Bagnasco in seiner Predigt. In der Halle standen 18 Särge aufgebahrt, geschmückt mit Blumen und Fotos der Opfer.
Einer der Särge war klein und weiss, darin lag die Leiche des jüngsten Opfers, des achtjährigen Samuele. Er war mit seinen Eltern unterwegs zur Fähre Richtung Sardinien, wo die Familie Ferien machen wollte, als die Brücke einstürzte.
Präsident Sergio Mattarella sprach nach der Trauerfeier gegenüber Fernsehreportern von einer "inakzeptablen Tragödie". Mit geröteten Augen versprach er sich dafür einzusetzen, dass "schnelle und rigorose Ermittlungen zu Verurteilungen führen".
Groll gegen Regierung
Mehrere Familien von Opfern blieben der Zeremonie in Genua fern - einige davon aus Protest gegen die Regierung. "Mein Sohn wurde ermordet", schimpfte am Freitagabend der Vater eines von vier bei dem Unglück getöteten Jugendlichen aus Torre del Greco bei Neapel.
"Man sollte nicht durch Nachlässigkeit, Gleichgültigkeit, Verantwortungslosigkeit, Oberflächlichkeit und Bürokratie sterben müssen", sagte Neapels Erzbischof Crescenzio Sepe bei der Trauerfeier für die vier.
Regierung weist Schuld von sich
Die italienische Regierung macht den Autobahnbetreiber Autostrade per l'Italia für das Unglück verantwortlich und wirft dem Privatunternehmen mangelhafte Wartungsarbeiten vor. Auch hochrangige Firmenvertreter kamen zu der Trauerfeier in Genua. Das Unternehmen betreibt die A10, zu der die eingestürzte Brücke gehört. Autostrade per l'Italia weist die Vorwürfe zurück.
Landesweit galt am Samstag Staatstrauer. Vor öffentlichen Gebäuden wehte die Flagge auf Halbmast. Bei den Fussballspielen des Wochenendes tragen die Spieler schwarze Armbinden und legen eine Schweigeminute ein. Die Partien der beiden genuesischen Teams, Sampdoria und Genoa, wurden verschoben.
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