Geld | Schweizerische Nationalbank wird unter Umständen rasch reagieren müssen
Mario Draghi dürfte noch einmal die Geldschleusen öffnen
Die Europäische Zentralbank (EZB) dürfte am (morgigen) Donnerstag ein weiteres Kapitel in der Geschichte der lockeren Geldpolitik aufschlagen.
Die Meinungen der Experten gehen zwar weit auseinander, wie dieses genau aussehen wird. Einig sind sie sich, dass die Schweizerische Nationalbank unter Umständen rasch wird reagieren müssen.
Mario Draghi gibt am Donnerstag schon fast seine "Abschiedsvorstellung". Die Amtszeit des Präsidenten der Europäischer Zentralbank (EZB) endet nämlich im Oktober. Und es ist gut möglich, dass die Ära Draghi mit einem Paukenschlag enden wird.
Die Frage lautet nämlich nicht, ob Draghi ein weiteres Kapitel in der Geschichte der lockeren Geldpolitik beginnen wird. Offen ist laut Experten nur noch, wie dieses aussehen wird. Die Bandbreite der Erwartungen reicht von einer überblickbaren Leitzinsreduktion bis hin zu einer Wiederaufnahme des Wertpapierkaufprogramms. Sogar von einer Ausweitung des Programms auf europäische Aktien ist vereinzelt zu hören.
Unterschiedliche Varianten
Entsprechend der Wichtigkeit des Anlasses wird viel spekuliert. Die EZB wolle in Zukunft wieder für 20 bis 30 Milliarden Euro pro Monat Staatsanleihen und vergleichbare Wertpapiere erwerben, hiess es auf der einen Seite. Wiederum andere wollen gehört haben, dass gleich mehrere Vertreter der Länder-Notenbanken sich gegen ein neues Wertpapierkaufprogramm ausgesprochen haben.
Der für Julius Bär tätige Ökonom David Kohl dämpft denn auch die Erwartungen. Er hält eine weitere Reduktion der Leitzinsen um 20 Basispunkte auf minus 0,6 Prozent für möglich, von einer Wiederaufnahme der Wertpapierkäufe geht er hingegen nicht aus. Sein Berufskollege Christoph Rieger von der Commerzbank teilt diese Meinung. Auch er sieht einen "harten Widerstand" gegen eine Neuauflage der Wertpapierkäufe.
Die Analysten der Credit Suisse hingegen halten ein neues Programm für wahrscheinlich. Im Rahmen des letzten Programms hatte die EZB bekanntlich zwischen März 2015 und Dezember 2018 Schuldtitel im Gesamtwert von 2600 Milliarden Euro gekauft.
Denkbar sind auch Mittelvarianten, wie Martin Lück vom Vermögensverwalter BlackRock meint. Gemäss ihm dürfte die EZB den Ankauf weiterer Wertpapiere zunächst nur in Aussicht stellen, ohne ihn näher zu präzisieren. Weitere Lockerungsmassnahmen erwartet der Ökonom dann im weiteren Jahresverlauf.
SNB wohl zum Handeln gezwungen
Einig sind sich die Experten, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) unter Umständen reagieren muss - weil die EZB-Entscheide den Franken gegenüber dem Euro stärken dürften. Womöglich sei sogar eine massive Intervention vor dem ordentlichen geldpolitischen Entscheid in der nächsten Woche (Donnerstag, 19. September) nötig, wird gemunkelt.
Fremdwährungskäufe dürften dabei laut den Marktbeobachtern weiterhin das bevorzugte Instrument der SNB sein. Ob dies zur Verhinderung eines starken Anstiegs des Franken genügt, ist unsicher. Morgan-Stanley-Ökonom Matthew Pennill etwa glaubt, dass die SNB ihre Leitzinsen eine Woche nach der EZB um 25 Basispunkte auf minus 1 Prozent reduzieren wird.
Sein Berufskollege Maxime Botteron von der Credit Suisse geht hingegen von unveränderten Leitzinsen aus. Eine Senkung des Schlüsselsatzes noch tiefer in den negativen Bereich wäre seiner Ansicht ein gewagter Schritt. Er rechnet daher bloss mit Devisenmarktinterventionen - trotz der hohen Devisenreserven von mittlerweile 767 Milliarden.
Fragezeichen zur Wirksamkeit
Die Sitzung der EZB ist nicht nur für die SNB von grosser Wichtigkeit, sondern wirft auch grundsätzliche Fragen auf. Für Christopher Potts von Kepler Cheuvreux steht aktuell nichts Geringeres als die Glaubwürdigkeit der Geldpolitik auf dem Spiel. Er wähnt die Zentralbanken aufgrund der bereits sehr tiefen Zinsen nämlich am Ende ihrer Möglichkeiten. Auch Robin Winkler von der Deutschen Bank warnt vor übertrieben hohen Erwartungen an Zinsschritte. Seines Erachtens wird eine Leitzinsreduktion nicht mehr dieselbe Wirkung entfalten wie frühere.
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