Deutschland | Wegen Aufrufen zur Selbstjustiz nach Vorfällen in Chemnitz
Mehrheit der Deutschen für AfD-Beobachtung durch Verfassungsschutz
Eine Mehrheit der Deutschen ist für die Beobachtung der rechtspopulistischen AfD durch den Verfassungsschutz. In einer repräsentativen Umfrage im Auftrag der Funke Mediengruppe sagten 57 Prozent, die Partei solle "auf jeden Fall" oder "eher ja" durchleuchtet werden.
Innenminister Horst Seehofer (CSU) erteilte der Forderung eine Absage. "Derzeit liegen die Voraussetzungen für eine Beobachtung der Partei als Ganzes für mich nicht vor", sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Unter anderem die SPD hatte die Beobachtung der AfD gefordert. Anlass waren Aufrufen zur Selbstjustiz und Drohungen gegen Journalisten nach den Vorfällen in Chemnitz.
Seehofer kritisierte die Äusserungen von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland, der die ausländerfeindlichen Krawalle in Chemnitz nach der Tötung eines Deutschen als "Selbstverteidigung" bezeichnet hatte. Der Begriff sei nicht "passend", sagte er den Funke-Zeitungen.
Er empfehle "allen politischen Kräften, die sich in der Verantwortung für unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat sehen, sich von Aufstachelung und Gewaltanwendung deutlich zu distanzieren und von jeglichem Versuch einer Legitimierung Abstand zu nehmen".
"Teile der Partei verfassungsfeindlich"
Der Geheimdienstexperte der Unions-Bundestagsfraktion, Patrick Sensburg (CDU), dagegen forderte die Beobachtung: "Sicherlich sind nicht alle Mitglieder der AfD rechtsextremistisch, jedoch gibt es Teile in der Struktur der Partei, die als verfassungsfeindlich bewertet werden müssen", sagte er dem "Handelsblatt".
In einer wehrhaften Demokratie habe der Verfassungsschutz die Aufgabe, diese Personen und Strukturen zu beobachten. Dies müsse aber auch für Teile der Linkspartei gelten, fügte Sensburg hinzu.
Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sagte: "Ich finde, die AfD bewirbt sich geradezu darum, vom Verfassungsschutz beobachtet zu werden." Dann hätte der Staat endlich zuverlässige Informationen, welche Netzwerke die Partei pflegt und wie sie sich finanziert, sagte Özdemir dem "Straubinger Tagblatt".
Der Grünen-Innenexperte Konstantin von Notz sieht bei den Behörden in den Bundesländern eine wachsende Bereitschaft, die AfD unter Beobachtung zu stellen. "Man kann der AfD beim Extremisieren zugucken", sagte der Grünen-Fraktionsvizechef der "Augsburger Allgemeinen". Die Reden, die politischen Forderungen, die Bündnispartner der Partei - alles rutsche immer weiter ins völkisch-rechtsextreme Umfeld, sagte von Notz.
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