Bahn | Frankreich von Streikwelle betroffen
"Schwarzer Dienstag" bei der französischen Bahn
In Frankreich ist eine dreimonatige Streikwelle gegen die Bahnreform von Präsident Emmanuel Macron angelaufen. Mehr als drei Viertel der Lokführer beteiligten sich nach Angaben der staatlichen Bahngesellschaft SNCF am Dienstag an dem landesweiten Ausstand.
Auch Verbindungen in die Schweiz waren betroffen. Zudem kam es zu Ausfällen bei Air France und bei der Müllabfuhr. Die Gewerkschaft CGT sprach von einem "sehr massiven" Streik. Im Fernverkehr fuhr im Schnitt nur jeder achte Zug, im Regionalverkehr nur jeder fünfte.
In der Region Paris sei nur einer von vier Nahverkehrszügen gefahren, teilte SNCF mit. Busse waren - wie die Bahnhöfe auch - nach den Osterfeiertagen überfüllt. An der zentralen Station Gare du Nord stürzten Wartende auf die Gleise und mussten wieder auf die Bahnsteige geholfen werden.
Viele Franzosen hatten sich allerdings nach den Ostertagen frei genommen, arbeiteten von zuhause aus oder nutzten Mitfahrgelegenheiten. In vielen grossen Bahnhöfen waren im Berufsverkehr deutlich weniger Reisende unterwegs als für gewöhnlich.
Im Schnitt beteiligten sich nach Angaben der Bahngesellschaft SNCF rund 34 Prozent der Beschäftigten an dem Ausstand. Bei den Lokführern waren es mit 77 Prozent mehr als doppelt so viele.
Verbindungen in die Schweiz gestrichen
Zugverbindungen vom Dienstag in die Schweiz, nach Spanien und Italien wurden komplett gestrichen. Insgesamt war der internationale Verkehr aber nicht so stark beeinträchtigt. Die Eurostar-Züge von Paris nach London und die Thalys-Verbindungen nach Deutschland oder Amsterdam verkehrten überwiegend normal.
Die Gewerkschaften haben die Bahnbeschäftigten aufgerufen, bis Ende Juni an jeweils zwei von fünf Wochentagen die Arbeit niederzulegen. Es ist der Auftakt zu einer Streikserie gegen die geplante Bahnreform des französischen Präsidenten Emmanuel Macron.
Der Staatschef will den Personenverkehr ab 2020 wie von der EU beschlossen für den Wettbewerb öffnen. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire betonte, aus der französischen Bahn solle ein "weltweiter Mobilitäts-Champion werden".
Angst um Privilegien
Die Gewerkschaften protestieren vor allem gegen die geplante Abschaffung des beamtenähnlichen Status der Bahnbeschäftigten. Er macht betriebsbedingte Kündigungen unmöglich und garantiert ein Rentensystem, unter dem Lokführer im Schnitt mit 54 Jahren in Ruhestand gehen. Bei Neueinstellungen sollen diese Privilegien künftig nicht mehr gelten.
Verkehrsministerin Elisabeth Borne sagte, die Regierung wolle trotz der Proteste nicht nachgeben. Sie setze "auf die Abstimmung und den Dialog" mit den Gewerkschaften. Nach ihren Angaben ist am Donnerstag ein Treffen mit Gewerkschaftsvertretern geplant. Macron will die Reform mit Hilfe von Verordnungen im Schnellverfahren bis zur Sommerpause durchsetzen.
Die Gewerkschaften kritisieren, dass die Regierung keinen Plan zum Abbau des Schuldenbergs bei der Bahn vorgelegt hat. Alleine die Schienensparte SNCF Réseau schiebt Verbindlichkeiten von 46,6 Milliarden Euro vor sich her.
Auch gegen die häufigen technischen Pannen, die im Winter zu massiven Ausfällen führten, wird nach Ansicht der Arbeitnehmervertreter nichts getan.
Weitere Streiks
Der Flugverkehr war am "Schwarzen Dienstag" ebenfalls gestört: Bei Air France streikten die Besatzung und das Bodenpersonal für sechs Prozent mehr Geld. Es war bereits der vierte Streik seit Februar. Am Samstag und kommende Woche werden erneut Ausstände bei der Airline erwartet.
In Paris und anderen Städten streikte zudem die Müllabfuhr. Die Aktionen sollen fortgesetzt werden.
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