Krieg | Syrien
Hunderttausende Zivilisten auf der Flucht aus Afrin und Ost-Ghuta
In Syrien sind hunderttausende Menschen auf der Flucht vor den Kämpfen in der Kurdenregion Afrin und der Rebellenenklave Ost-Ghuta. Allein aus der Stadt Afrin flohen nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte seit Mittwochabend mehr als 200'000 Bewohner.
Am Nordrand der mehrheitlich von Kurden bewohnten Stadt Afrin gab es laut Beobachtungsstelle in der Nacht zum Samstag heftige Kämpfe. Die türkischen Truppen und die mit ihnen verbündeten syrischen Islamistenmilizen versuchten, in die Stadt vorzudringen.
Bei einem Angriff auf zentrales Spital in Afrin wurden nach Angaben Beobachtungsstelle 16 Menschen getötet. "Das Spital wurde von mehreren türkischen Granaten getroffen", sagte auch der Arzt Joan Schitika der Nachrichtenagentur DPA. Dutzende weitere Menschen seien verletzt worden. Bilder und Videos kurdischer Aktivisten zeigten den Innenhof der mutmasslichen Klinik, der voller Trümmer lag.
Die türkische Armee dementierte am Samstag den Angriff und veröffentlichte Videomaterial einer Drohne. Darauf soll das Spital zu sehen sein. Die zwei gezeigten Fassaden und das Dach des Gebäudes sind in dem einminütigen Video intakt. Allerdings ist in dem Video auch kurz ein weiteres Gebäude zu sehen, dessen Dach den Einschlag einer Rakete zeigt.
Bei diesem Gebäude handle es sich um die Kinderstation der Klinik, Schitika. Das von den türkischen Streitkräften gezeigte Gebäude sei nicht das Spital, warf der kurdische Arzt der Türkei vor.
Die türkische Armee schrieb auf Twitter, dass die Operation in Afrin so durchgeführt werde, dass keinen Zivilisten und Unschuldigen Schaden zugeführt werde. Ankara hatte in der Vergangenheit immer wieder dementiert, dass Zivilisten bei den Angriffen getötet worden seien.
"Säuberung" Afrins als Ziel
Afrin ist beinahe vollständig von türkischen Truppen umzingelt. Lediglich im Süden gibt es einen Fluchtkorridor, der es den Bewohnern ermöglicht, die Stadt in Richtung der von Kurden oder der syrischen Regierung kontrollierten Gebiete zu verlassen.
Ziel der türkischen Armee ist es nach Angaben der Regierung in Ankara, Afrin von den kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) zu "säubern" und eine "Pufferzone" an der türkisch-syrischen Grenze einzurichten. Ankara sieht die YPG wegen ihrer engen Verbindungen zur verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Terrororganisation.
Die YPG sind mit den USA im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verbündet. Deshalb sorgt die türkische Offensive für Irritationen zwischen Washington und Ankara, die beide Partner in der Nato-Militärallianz sind.
Besonders heikel ist der von der Türkei geplante Vormarsch in östlicher Richtung auf die multiethnische Stadt Manbidsch, weil die USA dort - im Gegensatz zu Afrin - militärisch präsent sind.
Flüchtlinge strömen aus Ost-Ghuta
Bei neuerlichen Luftangriffen auf die Region Ost-Ghuta wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle am Samstag mindestens 36 Zivilisten getötet. Aus der Rebellenenklave Ost-Ghuta am Rande der Hauptstadt Damaskus flohen demnach allein am Samstagmorgen 10'000 Menschen. Die Zahl der seit Donnerstag Geflüchteten gab die Beobachtungsstelle mit 40'000 an.
Das syrische Staatsfernsehen zeigte Flüchtlingstrecks, die aus Ost-Ghuta in die Regierungszone strömten: Schwarzgekleidete ältere Frauen, Mädchen mit Decken im Arm, Männer mit Bündeln auf der Schulter, ein Vater mit einem Velo, seinem kleinen Sohn und einem riesigen Jute-Sack.
In dem seit sieben Jahren wütenden Bürgerkrieg sind die Angaben der in Grossbritannien ansässigen Beobachtungsstelle - wie auch jene der Konfliktparteien - für Medien nur schwer zu überprüfen.
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