USA | Deutschland als Lieblingsgegner
Trump reist mit der Abrissbirne durch Europa
"Beispiellos" zählt zu den Wörtern, die in der Berichterstattung über US-Präsident Donald Trump besonders häufig vorkommen. Immer wenn man denkt, jetzt geht es nicht mehr schräger oder krawalliger, folgt wieder ein Tweet, ein Interview oder ein Auftritt, über den man sagen muss: Das hat sich noch kein US-Präsident geleistet.
Sieben Tage war Trump nun in Europa unterwegs. Er war in Brüssel, London, Helsinki und zwischendurch auf einer schottischen Golfanlage. Seine Bilanz diesmal: Ein beispielloser Eklat beim Nato-Gipfel, eine beispiellose Schimpftirade gegen Deutschland wegen seiner Energie- und Verteidigungspolitik, eine beispiellose persönliche Attacke gegen die britische Premierministerin Theresa May und eine beispiellose Herabwürdigung der Europäischen Union, deren Mitgliedstaaten seit Jahrzehnte die engsten Bündnispartner der USA sind - oder waren?
So richtig freundlich war Trump während dieser Woche voller Überraschungen nur zu einem: zum russischen Präsidenten Wladimir Putin, der eigentlich in allen internationalen Konflikten und Streitfragen auf der anderen Seite steht. Verkehrte Welt also? Zumindest verfestigt sich der Eindruck, dass es keine Gewissheiten mehr gibt in der internationalen Politik mit diesem US-Präsidenten.
Am Montagabend um Punkt 20.25 Uhr Ortszeit sagte Trump Europa "Goodbye". Die Air Force One hob vom Flughafen in Helsinki in Richtung USA ab. Was bleibt von dieser denkwürdigen Reise und wie geht es jetzt weiter?
Tiefe Krise im transatlantischen Verhältnis
Nichts ist mehr, wie es einmal war: Die EU weiss wohl schon deutlich länger als die Nato, dass sie sich auf ein von Donald Trump geführtes Amerika besser nicht verlassen sollte. Die vergangenen Tage haben die Europäer noch einmal in dieser Sicht bestärkt. Erst mischte sich Trump ungeniert in die Brexit-Verhandlungen ein und fiel der britischen Premierministerin Theresa May in den Rücken. Zu guter Letzt bezeichnete er dann auch noch die EU als Gegner - oder je nach Übersetzung sogar als Feind - in Handelsfragen.
Für den seit Monaten immer weiter eskalierenden Streit um US-amerikanische Sonderzölle auf Stahl- und Aluminiumimporte dürfte das kaum Gutes bedeuten. Sollte Trump wie angedroht auch auf europäische Autoimporte zusätzliche Abgaben erheben lassen, könnte aus dem Handelskonflikt ein veritabler Handelskrieg werden. Um das zu verhindern, will EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in der kommenden Woche zu einem persönlichem Treffen mit Trump nach Washington reisen. Die jüngsten Kommentare des Amerikaners zum Thema machen allerdings wenig Hoffnung, dass der Streit gelöst werden kann.
Schlimmste Befürchtungen übertroffen
Im Hauptquartier des Militärbündnisses hatten viele geahnt, dass der Gipfel mit Trump schwierig werden würde. Letztendlich wurden aber sogar die schlimmsten Befürchtungen übertroffen. Im Streit mit Ländern wie Deutschland drohte Trump hinter verschlossenen Türen, "sein eigenes Ding" zu machen, sollten die Bündnispartner nicht sofort ihre Verteidigungsaufgaben auf zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts erhöhen. Erst in einer Krisensitzung konnte dafür gesorgt werden, dass die Auseinandersetzung nicht weiter eskaliert.
Der Schaden war aber nicht mehr gutzumachen. Die Botschaft, die vom Nato-Gipfel 2018 ausging, war nicht eine von Geschlossenheit, sondern eine von ungelöstem Streit und tiefen Gräben zwischen Partnern. Dass Trump zum Abschluss des Gipfels doch noch Bündnistreue versprach, ist ein schwacher Trost. Im nächsten Jahr wird die Nato 70. Sie gilt als Kern der transatlantischen Partnerschaft, als letzte Bastion der zerbröselnden westlichen Gemeinschaft. Selbst dieser Kern scheint jetzt vor Trump nicht mehr sicher zu sein.
Deutschland wehrt sich
Schon vor seiner Europa-Reise hatte Trump Deutschlands längst als Lieblingsgegner identifiziert und neben unzureichenden Verteidigungsausgaben und dem Handelsüberschuss auch die Migrationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel scharf kritisiert. In Brüssel setzte er noch einen drauf und bezeichnete Deutschland wegen des hohen Anteils russischen Erdgases am deutschen Energiemix als "Gefangenen Russlands". Das ging selbst Merkel zu weit, die Trumps Attacken bisher mit stoischer Ruhe an sich abtropfen liess. Sie verbat sich solche Äusserungen mit Verweis auf ihre persönlichen Erfahrungen in einer von der Sowjetunion kontrollierten DDR.
Für Russland ist Trumps Reise durch Europa ziemlich gut verlaufen - so gut, dass der US-Präsident in Polit-Talkshows schon als "unser Mann" bezeichnet wird. Die Nato ist für Russland ein Gegner. Deshalb mag Moskau das von Trump durchgeboxte Bekenntnis zu höheren Rüstungsausgaben nicht gefallen. Die Unruhe, die er im westlichen Bündnis auslöste, wurde aber interessiert verfolgt.
Sieg für Russland
Wegen der Erdgaspipeline Nord Stream machte Trump zwar Merkel Vorhaltungen - nicht aber Russland, dem Hauptinvestor bei dem Projekt. Auch den abschliessenden Gipfel in Helsinki, von Trump als leichteste Etappe seiner Reise angekündigt, kann Russland als Sieg verbuchen. Putin wurden keine grossen Zugeständnisse abverlangt. Und Trump sprach von den "ersten Schritte in eine strahlendere Zukunft" der russisch-amerikanischen Beziehungen.
Noch bevor Trump wieder amerikanischen Boden betreten konnte, braute sich in Washington ein schweres Gewitter zusammen. Ranghohe Republikaner gingen auf Distanz zu ihrem Präsidenten. Das kommt nicht oft vor und ist angesichts der wichtigen Kongresswahlen im Herbst ein untrügliches Zeichen dafür, dass Trump diesmal wirklich zu weit gegangen ist.
Die Demokraten schäumten. Auch bei den Geheimdiensten stiess Trumps Kuschelkurs selbst in der Frage einer Einmischung Russlands in den US-Wahlkampf offensichtlich sauer auf. Geheimdienstkoordinator Dan Coats sah sich gezwungen, klarzustellen, dass sich an der Einschätzung der Dienste nichts geändert habe: Russland habe sich in den Wahlkampf eingemischt, man sei da sehr deutlich gewesen. Der frühere CIA-Chef John Brennan sprach von Verrat.
Und selbst in Trumps Hofsender Fox News, dessen Moderatoren dem Präsidenten sonst äusserst wohlgesinnt sind, hagelte es Kritik. Trump, der mal gesagt hatte, die USA würden unter ihm so viel gewinnen, dass sie des Gewinnens überdrüssig würden, kehrt als Verlierer aus Europa zurück.
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