Gesellschaft | 800 Verdingkinder treffen sich in Mümliswil
Die letzten Zeugen eines dunklen Schweizer Kapitels
Erstmals in der Schweizer Geschichte haben sich am Samstag im solothurnischen Mümliswil rund 800 ehemalige Verdingkinder und andere Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen getroffen.
Die Teilnehmer des Treffens seien die letzten Zeuginnen und Zeugen, die dieses dunkle Kapitel der Schweiz miterlebt hätten, teilte das Team Wiedergutmachungsinitiative als Organisator mit.
Das gemeinsame Fest markiere den Abschluss der Wiedergutmachungsinitiative und den Start des Nachfolgeprojekts «Erzählbistro». Dieses «Erzählbistro» in Mümliswil soll für die Betroffenen ein Ort werden, wo die Auseinandersetzung mit der eigenen, persönlichen Geschichte im Zentrum steht. In Mümliswil besteht seit Mitte 2013 eine nationale Gedenkstätte für Verding- und Heimkinder.
Fürsorgerische Zwangsmassnahmen waren in der Schweiz bis 1981 angeordnet worden. Zehntausende von Kindern und Jugendlichen wurden an Bauernhöfe verdingt oder in Heimen platziert, viele wurden misshandelt oder missbraucht. Menschen wurden zwangssterilisiert, für Medikamentenversuche eingesetzt oder ohne Gerichtsurteil weggesperrt, weil ihre Lebensweise nicht den Vorstellungen der Behörden entsprach.
9000 Gesuche für Solidaritätsbeitrag
Insgesamt 9018 ehemalige Verdingkinder und andere Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen reichten beim Bund ein Gesuch um einen Solidaritätsbeitrag ein. Der Bund behandelte bislang 1400 Gesuche von schwerkranken und hochbetagten Personen prioritär.
Mit den ersten Auszahlungen konnte gemäss Bundesrat früher als geplant begonnen werden. Die bisher gemachten Erfahrungen zeigten, dass es weniger Routinefälle gebe als erwartet. Die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen erhalten einen Solidaritätsbeitrag von 25'000 Franken.
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