Waffenrecht | Jäger nicht betroffen
Nationalrat diskutiert über Verschärfung des Waffenrechts
Der Nationalrat diskutiert am Mittwoch über die Verschärfung des Waffenrechts. Es handelt sich um eine der heikelsten Baustellen der Europapolitik. Der Widerstand gegen jegliche Verschärfung bedroht die Schweizer Schengen-Mitgliedschaft.
Das Abkommen verpflichtet die Schweiz, die einschlägigen europäischen Bestimmungen zu übernehmen. Die EU hat ihre Vorschriften als Folge der Terroranschläge von Paris vom November 2015 verschärft. Im Fokus sind halbautomatische Sturmgewehre, wie sie damals von den Angreifern verwendet wurden.
In der Schweiz sind solche Waffen weit verbreitet. Zehntausende Armeeangehörige behalten ihre Waffe nach Ende der Dienstpflicht im Schrank. Minderjährige Jungschützen hantieren damit im Schiessstand. Das Eidgenössische Feldschiessen ist mit weit über 100'000 Teilnehmenden das grösste Schützenfest der Welt.
Die Aussicht, die EU könnte sich ernsthaft an dieser Tradition vergreifen, sandte Schockwellen durchs Land. Auch der Bundesrat dürfte sich die Haare gerauft haben: Die Verschärfung der EU-Waffenrichtlinie platzte mitten in die ohnehin schwierige Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative.
Lex Suisse
Den schmerzhaftesten Zahn hatten die Schweizer Diplomaten allerdings rasch gezogen. Es gelang ihnen, eine auf die Schweizer Gepflogenheiten gemünzte Bestimmung in der Richtlinie unterzubringen: Ordonnanzwaffen können nach Beendigung der Dienstpflicht weiterhin mit nach Hause genommen werden.
Auf Druck verschiedener Mitgliedstaaten wurden die ursprünglichen Pläne der Kommission weiter entschärft. Ein Verbot gilt nicht mehr summarisch für alle Waffen, die wie Kriegswaffen aussehen, sondern nur noch für Waffen mit grossen Magazinen. Auch die psychologische Begutachtung entfiel.
Angesichts des innenpolitischen Drucks reizte der Bundesrat bei der Umsetzung den vorhandenen Spielraum aus. Künftig gelten halbautomatische Gewehre mit einem Magazin von mehr als zehn Schuss und Pistolen mit über zwanzig Schuss als verbotene Waffen. Das betrifft in erster Linie die zivile Version des Sturmgewehrs 90 und ähnliche Waffen.
Regelmässig zum Training
Solche könnten nur noch mit einer Ausnahmebewilligung erworben werden. Eine Ausnahmebewilligung bekommt, wer Mitglied in einem Schützenverein ist oder regelmässig mit der Waffe übt. Der Bundesrat hat in Aussicht gestellt, dass dafür fünf Trainings innerhalb von fünf Jahren genügen.
Keine Ausnahmebewilligung gibt es für schultergestützte Waffen, die mit einem Klapp- oder Teleskopschaft auf weniger als sechzig Zentimeter Länge gekürzt werden können. Weitere Ausnahmen sind für Sammler oder Museen vorgesehen.
Wer bereits eine verbotene Waffe besitzt, die noch nicht gemeldet ist, muss diese nachregistrieren lassen, kann sie aber behalten. Die Bedingungen für eine Ausnahmebewilligung müssen dafür nicht erfüllt sein. Allerdings möchte der Bundesrat die Vorschriften, die für verbotene Waffen gelten, auch auf Magazine mit grosser Kapazität anwenden. So schreibt es die EU-Richtlinie vor.
Kommission bremst
Der Nationalratskommission geht das zu weit. Sie will die Magazine selber nicht regulieren, vor allem aus praktischen Gründen. Ein Magazin gilt heute nicht als wesentlicher Waffenbestandteil und trägt daher auch keine Seriennummer. Es dürfte unmöglich sein, Millionen von nicht registrierten Magazinen ins Recht zu fassen.
Die Kommission stört sich auch daran, dass das Sturmgewehr nach Ende der Dienstpflicht formell als verbotene Waffe gilt, auch wenn die entsprechenden Bestimmungen keine Anwendung finden. Sie will die übernommenen Ordonnanzwaffen gar nicht erst zu den verbotenen Waffen zählen. Auch die Voraussetzungen für eine Ausnahmebewilligung sollen gelockert werden.
Die Verschärfung des Waffenrechts hätte so kaum noch praktische Auswirkungen: Wer keine Gefährdung darstellt, kann grundsätzlich weiterhin jede beliebige Waffe kaufen, sofern er diese hin und wieder benutzt. Für Sportschützen bedeutet die Revision allenfalls ein zusätzlicher Behördengang, Jäger sind ohnehin nicht betroffen.
Schützen in Stellung
Fraglich ist, ob die Vorlage noch mit den EU-Vorschriften vereinbar ist. Trotzdem ist das Referendum so gut wie sicher. Pro Tell hat sich bereits in Stellung gebracht. Auch der Schweizer Schiesssportverband erwägt ein Referendum, die SVP ist ebenfalls gegen die Verschärfung.
Im Schengen-Assoziierungsabkommen hat sich die Schweiz zur Übernahme aller Weiterentwicklungen verpflichtet. Tut sie dies nicht, fällt der Vertrag grundsätzlich dahin. Laut Bundesrat ist die Schengen-Zusammenarbeit aber von grosser Bedeutung für die Schweizer Sicherheitsbehörden und für die Wirtschaft.
Er beziffert den möglichen Schaden auf über zehn Milliarden Franken pro Jahr. Die Dublin-Zusammenarbeit würde ebenfalls beendet, was einen massiven Anstieg der Asylverfahren zur Folge haben könnte. Die Schweiz hat bis Ende Mai 2019 Zeit, die Vorlage umzusetzen.
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