Strom | Mit Ausgangszustand soll Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Konzessionserneuerung gemeint sein
Nationalrat lockert Umweltauflagen für Wasserkraftwerke
Die Betreiber von Wasserkraftwerken sollen künftig bei Konzessionserneuerungen weniger Umweltmassnahmen ergreifen müssen als bisher. Das hat der Nationalrat am Donnerstag entschieden.
Er hat mit 123 zu 63 Stimmen eine Gesetzesänderung angenommen, die auf eine parlamentarische Initiative von Albert Rösti (SVP/BE) zurückgeht. Diese betrifft die Umweltverträglichkeitsprüfungen, die bei Konzessionserneuerung nach Ablauf der Wasserkraftkonzessionen erforderlich sind. Zur Debatte stand der Umfang von Ersatzmassnahmen für Eingriffe in schutzwürdige Landschaften.
Heute steht im Gesetz, dass der Umweltverträglichkeitsbericht auf den "Ausgangszustand" Bezug nimmt. Aus Sicht der Kritiker bestehen Unsicherheiten, was unter diesem Begriff zu verstehen ist. Nach aktueller Praxis wird bei Konzessionserneuerungen derjenige Zustand als Ausgangszustand betrachtet, der bestehen würde, wenn die Anlage nie gebaut worden wäre. So ist es auch in einem Handbuch des Bundesamtes für Umwelt festgehalten.
Auflagen für Konzessionserneuerung
Nun soll im Gesetz verankert werden, dass nicht der Ursprungszustand, sondern der Ist-Zustand zum Zeitpunkt der Konzessionserneuerung gemeint ist. Dieser soll als Referenzgrösse dafür gelten, ob und in welchem Umfang Wiederherstellungs- und Ersatzmassnahmen zu leisten sind.
Die aktuelle Regelung führe zu grosser Unsicherheit, sagte Rösti. Es handle sich um eine Praxis, die nicht im Gesetz festgelegt sei. Die Behörden müssten sich bei einer Konzessionserneuerung vorstellen, wie das Gebiet ausgesehen habe, als es vor Jahrzehnten noch kein Wasserkraftwerk gegeben habe.
Das könne dazu führen, dass wegen einer blossen Neukonzessionierung bei gleich bleibender Stromproduktion viele Hektaren landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gingen. Wenn ein neues Kraftwerk gebaut werde, brauche es aber selbstverständlich Ausgleichsmassnahmen, hielt Rösti fest.
Die Vorlage sei in der Vernehmlassung auf breite Unterstützung gestossen, sagte Kommissionssprecher Mike Egger (SVP/SG). Sie führe zu Rechts- und Planungssicherheit. "In der Wasserkraft besteht im Moment Rechtsunsicherheit. Das führt dazu, dass nicht mehr investiert wird", sagte BDP-Sprecher Hans Grunder (BE). Mit der Gesetzesänderung könne wenigstens der Status quo erhalten werden.
Wasserkraft und Naturschutz versöhnen
Die SP zeigte ein gewisses Verständnis für das Anliegen, tat sich aber trotzdem schwer mit der Vorlage. Viele Kraftwerke seien vor Jahrzehnten gebaut worden, damals habe es noch keine Ausgleichsmassnahmen gegeben, sagte Silva Semadeni (SP/GR). Es seien ganze Gebiete überflutet worden.
Eine Minderheit verlangte daher, dass die Kantone bei Neukonzessionierungen weiterhin die Möglichkeit haben sollen, Ausgleichsmassnahmen zugunsten von Natur und Landschaft anzuordnen oder zu vereinbaren. Es gehe darum, den Kantonen ihren Spielraum zu belassen, sagte Stefan Müller-Altermatt (CVP/SO).
Der Vorschlag stammte ursprünglich vom Bundesrat. Umweltministerin Simonetta Sommaruga sprach von einem ausgewogenen Kompromiss zwischen Umweltschutz und Wasserkraft. Zudem entspreche die Lösung einem Anliegen der Kantone.
Die Grünen lehnten die Lockerung der Umweltauflagen grundsätzlich ab. Die Wasserkraft sei nur dann eine saubere Wasserkraft, wenn der Natur Sorge getragen werde, sagte Bastien Girod (ZH). Auch bei Klimaschutz-Massnahmen müssten die Nebenwirkungen beachtet werden. Man könne Strom produzieren und gleichzeitig die Gewässerökologie verbessern. "Wasserkraft und Naturschutz müssen versöhnt werden", forderte Girod.
Der Nationalrat lehnte den Antrag der Minderheit mit 115 zu 71 Stimmen ab. Die Vorlage geht nun an den Ständerat.
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