Interview | Die Band Feine Sahne Fischfilet über den Rechtsruck in Deutschland
«Haben keinen Bock, mit Nazis zu feiern»
Mit ihrem neuen Album «Sturm und Dreck» hat es die Deutsche Band Feine Sahne Fischfilet auf die ganz grossen Festivalbühnen geschafft. Bassist Kai Irrgang und Schlagzeuger Olaf Ney im Interview.
Kai und Olaf, wann wurde in eurem Proberaum zum letzten Mal eine Scheibe eingeschlagen?
Kai: «Letzten Sommer.»
Wie schafft ihr das, euch da immer wieder aufzubauen?
Olaf: «Wir spielen in dieser Konstellation schon fast zehn Jahre. Und Stress gab es schon immer, vor allem mit Nazis. Es kam sogar zu diversen Angriffen bei Konzerten. Mit der Zeit wird man vorsichtiger und schaut sich ein bisschen mehr um. Was wir aber gelernt haben: Wir lassen uns davon nicht die Laune verderben.»
Kai: «Es ist halt nervig, dass man sich dadurch beeinträchtigen lassen muss. Wir müssen damit halt einfach mehr leben als andere Bands.»
Als linke Punkband in Mecklenburg-Vorpommern. Waren das harte erste Jahre?
Kai: «Früher war das natürlich schon ganz anders. Da haben wir irgendwo vor 30 Leuten gespielt. Da war das Gefahrenpotenzial sicher höher als heute. Auf unseren Konzerten mussten wir uns gegen Angriffe von Nazis wappnen. Wenn wir jetzt ein Konzert spielen, kommen Tausende Leute, und es gibt ein Sicherheitskonzept. Dadurch können wir auch stressfreier spielen.»
Olaf: «Wir haben aber auch nicht als linke Band angefangen. Wir waren eine Band in einer Kleinstadt und haben Punkrock gemacht. Auf einem Festival haben uns dann auch Nazis abgefeiert. Da hatten wir keinen Bock drauf und mussten uns positionieren. Wir haben einfach keinen Bock, mit Nazis und Faschos zu feiern.»
Als ihr euch dann so klar positioniert habt, wurde auch der Verfassungsschutz auf euch aufmerksam. Nehmt ihr das als Kompliment?
Olaf: «Das ist einfach eine riesig grosse Schweinerei. Generell ist es ein Unding, eine linke Ideologie mit einer rechten Ideologie zu vergleichen.»
Kai: «Wenn uns diese Behörde nicht scheisse findet, wäre es ja wohl auch komisch. Bis heute kommen immer noch die krassesten Nazi-Alben raus und niemand macht etwas dagegen. Es ist wichtig, dass wir es skandalisieren, dass uns eine staatliche Behörde mehr Platz einräumt, als allen Nazibands in unserem Bundesland zusammen. Und Mecklenburg-Vorpommern ist eine der Hauptregionen von Nazi-Bands.»
Was ist euer Rezept gegen den Rechtsruck in Deutschland?
Kai: «Wir sind momentan mit der Musik relativ erfolgreich. Dadurch wollen wir möglichst viele Leute bewegen. Wir erzählen persönliche Geschichten und möchten bei den Menschen etwas auslösen.»
Olaf: «Wir sind alle selber durch die Musik politisiert worden. Das ist ein guter Einstieg. Wir wollen zeigen, dass es einen Raum gibt, wo sich die Leute vernetzen können und sehen, dass es nicht nur Arschlöcher gibt. Sondern dass es auch im grössten Kaff coole Leute gibt.»
In eurer Musik spürt man immer wieder Wut und Hass. Geht das zusammen mit konstruktiver Problemlösung?
Kai: «Klar. Oft ist Wut und Hass das erste Gefühl, das du hast, wenn man ein Problem erkennt. Alle wissen, Leute im Mittelmeer ertrinken, die Politiker schwadronieren rum, den Leuten ist es egal. Da verspüre ich Hass, bin wütend und traurig. Und das ist der erste Schritt, um auch konstruktive Lösungen anzugehen.»
Ihr reisst auch selber Dinge an und fährt zum Beispiel mit einem Lkw mit Hilfsgütern bis nach Syrien. Sollte man die Probleme öfter selber anpacken?
Kai: «Man sollte sich immer fragen, ob es eine Möglichkeit gibt, selber etwas zu machen. Viele Freunde von uns haben die Kampagne unterstützt. Es ist auch an der Zeit, selber etwas zu unternehmen. Nach dem Rechtsruck in Deutschland waren viele Leute sehr geschockt und waren nicht handlungsfähig. Es ist wichtig, aus dieser Starre wieder rauszukommen.»
Wenn ihr in euren Songs politische Themen anschlägt, nimmt man euch das mehr ab als anderen Bands. Weshalb?
Olaf: «Danke. Wir reden selten darüber, dass wir jetzt über dieses Thema einen Song schreiben sollten. Die Songs entstehen aus persönlichen Erlebnissen. Wir sind im politischen Geschehen verankert und interessieren uns sehr dafür. Dadurch wirken wir vielleicht authentischer als andere Bands.»
Ihr thematisiert gar eure eigene Kindheit, und wie ihr da Scheisse gebaut habt. Wie reagieren da die eigene Familie und die Freunde darauf?
Kai: «Für die Familie von Monschi, unserem Sänger, war das einfach ein tolles Ding. Er kritisiert sich selber sehr stark und singt eine Lobeshymne auf seine Eltern. Ich hätte nicht in der Rolle seines Vaters sein wollen. Nicht alle Eltern hätten das mitgemacht.»
Ihr lebt momentan wie im Rausch. Ist das auch eine Flucht vor den Problemen?
Olaf: «Ja total. Eine sehr unangenehme Zeit war, als wir viele Konzerte spielten, aber nebenbei noch Geld verdienen musste. Wir fragten uns stets, kriegen wir das hin oder fahren wir es gegen den Baum? Jetzt hab ich manchmal Stress, fahr aus Rostock los, bin dann auf Tour und bumm: Alle Probleme sind weg.»
Wie viel von eurem Verhalten ist Punk-Attitüde? Und wie asozial seid ihr wirklich?
Kai: «Wärst du letztes Wochenende dabei gewesen, würdest du diese Frage nicht stellen. Da sind wir total durchgedreht und haben gefeiert, als würde es den nächsten Tag nicht mehr geben.»
Olaf: «Wir haben nie nur so getan, um auch krass zu wirken. Wir sind halt so.»
Im Song «Brennen» heisst es «Wenn es einen Film über dein Leben gäbe, würdest du ihn anschauen, würde er dich faszinieren?». Wie fasziniert seid ihr von eurem Leben?
Kai: «Manchmal verliert man das Bewusstsein, wie krass das ganze eigentlich ist, was man jedes Wochenende erlebt. Letztens haben wir einen Bus gemietet und Freunde mit aufs Festival genommen. Die haben uns wieder einmal gezeigt, wie krass das ganze eigentlich ist. Wir als Band haben uns an viele Dinge gewöhnt. Für sie war alles neu.»
Olaf: «Für jedes Wochenende, das man erlebt, bräuchte man gefühlt einen Monat, um das ganze Revue passieren zu lassen. Alles geht Schlag auf Schlag. Klar sind viele Sachen normal geworden, wir werden aber nie vergessen, wie es früher war. Da haben wir auch mal unter dem Kicker-Tisch geschlafen, während andere noch gespielt haben. Zwei Stunden später ging es dann zum nächsten Konzert.»
Mathias Gottet
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