Informatik | Mathias Wellig ist 33 Jahre alt und mittlerweile in der Tasche jeder Schweizerin und jedes Schweizers
Der Mann auf Millionen Smartphones
Neugier und Leidenschaft führten innert weniger Jahre zum erfolgreichen Geschäftsmodell: Mathias Welligs Unternehmen Ubique gehört zu den grössten und erfolgreichsten Entwicklern von Smartphone-Apps in der Schweiz.
Die Wahrscheinlichkeit, dass Herr und Frau Schweizer bereits mit Mathias Wellig in Berührung gekommen sind, ist immens. Nicht, weil Wellig ein Promi wäre oder sonst auf eine Art und Weise berühmt. Sondern, weil er als Geschäftsführer von Ubique einer der Köpfe hinter den schweizweit stark verbreiteten Apps von SBB, MeteoSchweiz und Alertswiss ist. Unter anderen. «Die Wahrscheinlichkeit, dass man als Schweizer mindestens eine unserer Apps auf dem Smartphone installiert hat, ist gross», sagt Wellig und lacht. Er geht von über sieben Millionen seiner auf Schweizer Smartphones installierten Apps aus.
Ein iPhone-Pionier
Angefangen hat alles mit dem ersten iPhone. Zu einer Zeit, als Apple noch nicht «cool» war, iPhones belächelt wurden und es keinen App-Store gab. Aufgewachsen in Fiesch absolvierte Wellig das Kollegium Spiritus Sanctus in Brig und studierte anschliessend Informatik an der ETH Zürich. 2007 bestellte er sich ein iPhone der ersten Generation direkt aus Amerika – Monate, bevor es in der Schweiz erhältlich war. Wellig, ein Pionier des Geräts aus dem kalifornischen Cupertino, Kalifornien.
Vom aus heutiger Sicht sehr rudimentären Gerät fasziniert, gab sich Wellig nicht mit der Benutzung zufrieden, sondern wollte verstehen und verbessern. Obwohl es so etwas wie den heute wohlbekannten App-Store noch nicht gab, begann er schon rasch mit der Programmierung erster Apps.
Die Szene sei damals sehr klein gewesen, sagt Wellig. Im Informatikstudium fand er dennoch rasch andere Begeisterte und gründete bereits drei Jahre nach seinem ersten iPhone gemeinsam mit zwei Kommilitonen das Unternehmen Ubique, das sich auf die Programmierung von Apps spezialisierte.
Gemäss eigenem Auftritt wolle Ubique die «Brücke zwischen Technik und Mensch schlagen und für Herausforderungen aus unterschiedlichsten Branchen gerüstet sein». Grosse Worte für ein vorerst überschaubares Unternehmen. Erste Apps für die ETHZ und für deren Sportangebot steigerten die Bekanntheit von Ubique in einem damals überschaubaren Markt.
Imposantes Kundenportfolio
Heute, zehn Jahre nach der Unternehmensgründung, zeugt das Kundenportfolio von der Erfolgsgeschichte. Namhafte Player wie die ÖV-Unternehmen SBB und ZVV (Zürcher Verkehrsverbund), die Universität und ETH Zürich, das Unispital Zürich oder der TCS figurieren darin.
«Die Wahrscheinlichkeit, dass jeder Schweizer eine unserer Apps installiert hat, ist gross»
Mit dem deutschen Wetterdienst schaffte Ubique bereits den Sprung nach Europa – mit der App von MeteoSchweiz hatte der passionierte Amateurmeteorologe Wellig bereits in einem vorherigen Schritt Leidenschaft und Geschäftssinn verbinden können.
Organisch gewachsen
Und dabei war der Erfolg gar nicht so geplant. Das Geschäft, sagt Wellig, sei nie im Vordergrund gestanden. «Wir sind über die Jahre organisch gewachsen», sagt er. Über die Jahre wuchs aus dem Drei-Mann-Verbund ein Team von mittlerweile fast vierzig Angestellten, die Arbeitsplätze bleiben in der Schweiz.
Welche Ziele kann man noch haben, wenn bereits jeder Schweizer mindestens eine App von Ubique auf dem Smartphone hat – ein Meilenstein, den sich das Unternehmen schon früh zum Ziel gesetzt hat. Auf jedem europäischen Smartphone zu sein oder gar weltweit? Nein. «Wir wollen weiterhin das tun, was wir am besten können», sagt Wellig, «das Leben der Nutzer vereinfachen.»
Spannender sei ohnehin der rasche Wandel der Technologien. Der Entwicklungssprung, den die Geräte in der vergangenen Dekade gemacht haben, dürfte sich in den kommenden zehn Jahren nur noch verschnellern. «Da kommen sehr spannende Sachen auf uns zu.»
Der Weltverbesserer
Die Büroräumlichkeiten von Ubique liegen unweit des Hauptbahnhofs am Zürcher Central in der Altstadt, dem ursprünglichen Stadtkern. Die finanzielle Gesundheit des Unternehmens muss gut sein, denn die Lage dürfte ihren Preis haben. Welligs Motivation ist indes ganz woanders zu suchen.
Eigentlich ist Wellig ein Weltverbesserer; ein Wort, das heutzutage viel zu pejorativ benutzt wird und das er selbst so wohl nie in den Mund nehmen würde. Aber dennoch: «Ich möchte mit den Apps, die wir entwickeln, das Leben der Menschen vereinfachen», so Wellig.
Das beginnt bereits mit dem Grundsatz, dass das Unternehmen nur Aufträge annimmt, mit denen sich die Angestellten selbst identifizieren können. Als Amateurmeteorologe entwickelte Wellig die Apps für schweizerische und deutsche Meteodienste. Ein Unternehmen von ÖV-Benutzern entwickelt die Apps für SBB und ZVV. «Der Vorteil liegt darin, dass wir die Kundenbedürfnisse aus eigener Erfahrung kennen», sagt er.
Der «nächste Schritt»
Welligs neuestes Projekt entstand indes nicht auf Auftrag eines grossen und finanzstarken Unternehmens, sondern aus eigenem Antrieb. «Auch wir befinden uns aufgrund der momentanen Situation derzeit im Homeoffice und haben uns überlegt, welchen Beitrag wir leisten könnten, um die Situation schnellstmöglich für alle wieder erträglicher zu machen», sagt er. Sein Lösungsansatz: eine App. Natürlich.
Mit der App «Next Step», die sich derzeit in der finalen Phase der Entwicklung befindet, soll man dem Coronavirus SARS-CoV-2 einen Schritt voraus sein, statt einen Schritt hinterherzuhinken. Das Problem mit dem Virus ist nämlich, dass die Symptome erst nach einigen Tagen Inkubationszeit auftreten und ein Träger bis zu diesem Zeitpunkt bereits etliche Bekannte und Fremde damit angesteckt haben könnte.
Mittels Bluetooth-Technologie, die auf jedem Smartphone vorhanden ist, sammelt die App alle Begegnungen der Person, wenn sie länger als eine gewisse Zeit und in unmittelbarer Nähe stattgefunden haben. Die Daten werden lokal auf dem Gerät gespeichert und erst im Falle einer Infektion mit den Daten anderer Nutzer verglichen. Treten beim Nutzer Symptome auf, genügt ein Knopfdruck, um alle Nutzer, mit welchen er in Kontakt war – seien es Kollegen im Büro oder Fremde im Supermarkt – darüber zu informieren und sie zur Selbstisolation zu bewegen.
Bundesrat zeigt Interesse
Ein Knopfdruck, und alle Probleme sind gelöst. Eine erstrebenswerte, aber utopische Vorstellung, so Wellig. «Natürlich lassen sich nicht alle Schwierigkeiten mit Apps lösen», sagt er, «aber wenn wir etwas beitragen können, tun wir es.»
Aufgrund der Dringlichkeit in der aktuellen Lage hätten die zeitlichen Kapazitäten im Unternehmen ohne grössere Probleme für die App eingesetzt werden können. Eine Garantie, dass sich der Aufwand auch finanziell lohnt, gibt es hingegen keine. Da die App kostenlos verfügbar sein soll, fällt auch diese Finanzierungsmöglichkeit weg.
Für Wellig kein Problem. Denn mittlerweile ist die App Teil eines länderübergreifenden Projekts, liegt auf den Büros des BAG und selbst Bundesrätin Karin Keller-Sutter stuft die App als «interessant» ein.
Adrien Woeffray
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