Coronakrise | Schweizer Fahrende wegen Coronavirus in Not
Transitplatz in Martinach von ausländischen Reisenden besetzt
Das Coronavirus hat das Leben der Schweizer Fahrenden auf den Kopf gestellt. Mit dem Frühling würde eigentlich die Reisesaison beginnen, doch sie müssen auf ihren Standplätzen verharren und können nicht mehr von ihrer Arbeit leben. Die Kantone überprüfen nun einen Erlass der Platzgebühren.
Wird das Wetter im Frühjahr allmählich wärmer, machen sich die Schweizer Reisenden auf die Reise und wechseln alle zwei oder drei Wochen ihren Standort. Doch in diesem Jahr hat die Coronavirus-Epidemie alles verändert.
"Wir sind alle eingesperrt. Diejenigen, die einen Winterstandplatz haben, sind dort geblieben, die anderen leben an einem offiziellen Platz", sagt Albert Barras, Westschweizer Sprecher der fahrend lebenden Jenischen und Sinti, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Wie alle anderen auch, leben die Reisenden in Angst vor der Ausbreitung des Coronavirus. "Wir halten Abstand voneinander. Bislang ist meines Wissens niemand angesteckt worden. Wenn es Fälle gegeben hätte, hätte sich die Nachricht wie ein Lauffeuer in der Gemeinschaft verbreitet", sagt er.
Angst ist normal
Neben der Angst, krank zu werden, plagen die Fahrenden auch erhebliche finanzielle Sorgen. Fahrende müssen reisen, die Standorte wechseln und Kontakt zu den Menschen haben, denen sie ihre Dienste anbieten können. Neben Handwerk wie Reparaturen, Unterhalts- und Renovationsarbeiten, Metall-und Holzbearbeitung und anderes gehört auch das Hausieren mit diversen Artikeln zu den bevorzugten Erwerbstätigkeiten von Fahrenden.
Aber auch in diesem Bereich hat das Coronavirus den Alltag umgekrempelt. "Die Leute wollen uns die Tür nicht mehr öffnen, sie haben Angst und das ist normal", sagt Barras.
Dies wird sich möglicherweise nicht ändern, solange die Pandemie andauert. Auch wenn laut dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) der Handel von Tür zu Tür weiterhin erlaubt ist, falls die Anforderungen des BAG bezüglich Hygiene und Abstand eingehalten werden, wie Simon Röthlisberger, Geschäftsführer der Stiftung Zukunft für Schweizer Fahrende erinnert.
Ersparnisse reichen nicht weit
Die Fahrenden bezeichnen ihre Situation als prekär. "Geld fällt nicht vom Himmel. Wir versuchen, von unseren mageren Ersparnissen zu leben, aber es wird sehr schwierig", macht sich Barras Sorgen.
In einem Brief an die Kantone und Gemeinden hatte die Stiftung Mitte März um Lockerungen im Platzregime gebeten. Insbesondere seien die Plätze im Frühling wie vorgesehen zu öffnen, vorübergehend die Aufenthaltsdauer auszudehnen sowie die Platzgebühren zu senken.
Forderungen teilweise erhört
In der Deutschschweiz ist die Forderung weitgehend erhört worden. Luzern, Winterthur, Zürich, Basel und der Aargau gewähren kostenlose oder ermässigte Tarife für die Plätze und/oder Strom- und Wassergebühren, sagt Barras. "Wir verhandeln derzeit noch mit Thun".
In der französischsprachigen Schweiz sind die offiziellen öffentlichen Plätze nicht von Schweizer Fahrenden besetzt. "Sie nehmen Gemeinschaften aus dem Ausland auf, die oft mehrere Monate bleiben", sagt Barras.
Die Transitplätze von Rennaz VD, La Joux des Ponts FR und Martinach werden derzeit von Reisenden aus dem Ausland besetzt. Auch hier werden die Gebühren aufgeschoben oder erlassen, ausser im Wallis, wo das Regime unverändert bleibt.
Für Schweizer Reisende ist in Mont-sur-Lausanne VD ein offizieller Transitbereich geplant, der von März bis Oktober geöffnet sein soll, aber wahrscheinlich erst im nächsten Jahr eröffnet wird.
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