Alpwirtschaft | Züchter erstatten Anzeige gegen unbekannt in Brig und Domodossola
Kuhklau im Grenzgebiet zu Italien?
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Vermisst. Von Kampfkuh «Clairon» fehlt seit zwei Wochen jede Spur.
Foto: zvg
Gondo-Zwischbergen. Auf der Alpe Waira-Zwischbergen im Simplongebiet werden seit 14 Tagen zwei Eringerkühe vermisst. Alle Suchbemühungen von Hirten, Besitzern, Jägern und Wildhut liefen bislang ins Leere.
Seit über zehn Jahren führen Yvo und Claudia Kalbermatter aus Stalden eine Gruppe Eringerkühe zur Sömmerung auf die idyllische Alpe Waira-Zwischbergen. Auch diesen Sommer verbringen drei erwachsene und drei Jungtiere aus ihrer Stallung im Grenzgebiet zu Italien. Zusammen mit 40 Stück Fleckvieh zur Käseproduktion und weiteren 30 Rindern anderer Rassen.
Während die Melkkühe allabendlich in den Stall auf Waira geführt werden, verbringen die Rinder und die drei trächtigen Eringerkühe, die nicht gemolken werden, die Nächte auf der Alpe im Freien, wie das üblich ist. «Dort wird von den Hirten täglich in Augenschein genommen, ob alle Tiere wohlauf sind», erklärt Yvo Kalbermatter.
Tagelange Suchaktion
Auf einem solchen Kontrollgang am 16. August bemerkte die Hirtschaft das Fehlen der beiden Eringerkühe «Clairon» und «Bambi». «Es handelt sich um besonders zutrauliche Tiere, denen sich auch Fremde ohne Weiteres nähern können. Im Gegensatz zur dritten Eringerkuh und zu den Kälbern, die vor Fremden scheuen.»
Seit dem Verschwinden der Kühe vergeht kein Tag, ohne dass nicht nach den Tieren im weitläufigen Alpgebiet gesucht wird. «Neben der Hirtschaft, welche die Alpe seit Tagen abläuft, halten inzwischen auch Jäger und die Wildhut Ausschau nach den vermissten Kühen.» Gleichzeitig haben die Besitzer in den sozialen Medien einen Aufruf gepostet, der Hinweise von Drittpersonen liefern könnte. «Bislang aber hat sich niemand gemeldet. Niemand weiss, wo ‹Bambi› und ‹Clairon› stecken», sagt Besitzerin Claudia Kalbermatter.
Dass die beiden Kühe durch einen Blitzschlag oder einen Absturz über einen Felsen zu Tode gekommen sind, schliesst Yvo Kalbermatter inzwischen aus. «Die Kadaver würden rasch Wildtiere wie Füchse oder Kolkraben anlocken, sodass sie unschwer geortet werden könnten.»
Züchter vermuten Diebstahl
So erhärtet sich bei den Kalbermatters mehr und mehr der Verdacht, dass die handzahmen Tiere nachts heimlich gestohlen worden sind. «Dabei sind zwei Möglichkeiten denkbar: Sie könnten mit Halftern bis zu den Alpstallungen Waira, die mit Viehtransportern erreichbar sind, geführt worden sein. Von dort wäre der Abtransport für Diebe ein Leichtes, auch in Richtung Italien, da der Grenzübergang nachts nicht überwacht wird.»
Ebenso ist auch ein Diebstahl über die grüne Grenze nach Italien hin denkbar. Nach demselben Strickmuster, das Italiener vor wenigen Jahren beim Klau von Saaser Mutten im Saastal anwandten. Sie trieben Dutzende Schafe nachts über die Grenze. Ausser ein paar Glocken blieb den Besitzern seinerzeit nichts von den seltenen Tieren übrig. Ein enormer Rückschlag bei den Zuchtbemühungen für die vom Aussterben bedrohte Schafrasse.
Deshalb sind die Besitzer von «Bambi» und «Clairon» am Sonntag nach Domodossala gereist und von der italienischen Seite her auf die Alpe Moira hochgewandert. «Unterwegs haben wir überall nach den Tieren gefragt, doch niemand hat die beiden Eringerkühe gesehen», sagt Yvo Kalbermatter. Am Montag sind die Tierhalter nochmals nach Domodossola gefahren. Diesmal haben sie auf dem Polizeiposten eine Strafanzeige gegen unbekannt eingereicht.
Dasselbe taten sie schon zuvor bei der Kantonspolizei in Brig. «Dort hat man uns versichert, die Videobilder vom Grenzübergang in Gondo nach Viehtransportern zu sichten, die in den letzten zwei Wochen nachts über die Grenze nach Italien gefahren sind.»
Wertvolle Kampfkühe
Sollten «Bambi» und «Clairon» nicht mehr auffindbar sein, bleibt neben der nagenden Ungewissheit, wie es den Tieren geht, auch grosser materieller Schaden. «Die Tiere sind versichert gegen Abstürze oder Blitzschläge, nicht aber gegen Diebstahl.»
Dabei geht es allerdings um weit mehr als um den Fleischwert der Kühe, der einige Tausend Franken beträgt. «Die elfjährige ‹Clairon› war bei Stechfesten in Raron schon zweimal in den Rängen klassiert, die zur Teilnahme am Nationalen in Aproz berechtigen.» Viel mehr Potenzial als Kampfkuh hat die vierjährige «Bambi». «In ihr stecken als nahe Verwandte dieselben Gene wie in ‹Surprise›.» An den zwei letzten Nationalen in Aproz hat «Surprise» bekanntlich mit ihrer unbeugsamen Kampfeslust an der Königinnenkrone geschnuppert. Kommt «Bambi» nach ihr, hätte sie beste Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zukunft als Kampfkuh.
Die trächtige «Bambi» ist denn auch schon für den Herbstmatch im Goler in Raron gemeldet. «Deshalb sollte sie in den kommenden Tagen von der Alpe geholt werden, um sie für ihre ersten Kämpfe im Ring vorzubereiten.» Zuvor aber muss die verschollene Kuh gefunden werden, damit sie die Züchterträume erfüllen kann…
Manuela Pfaffen, Norbert Zengaffinen
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