Coronavirus | Krisenstab und Fachrat im Spitalzentrum Oberwalliskoordinieren von Tag zu Tag die Bettenkapazitäten, Direktor Hugo Burgener:
«Wir haben genügend freie Betten»
Aussergewöhnliche Situationen erfordern aussergewöhnliche Massnahmen. Das Spitalzentrum Oberwallis steht bei der Gesundheitsversorgung in einer absoluten Schlüsselrolle. Direktor Hugo Burgener gibt Auskunft.
Hugo Burgener, wie schätzen Sie die aktuelle Lage im Oberwallis ein?
«Wir sind weiter am Vorbereiten und Informieren. Seit letzter Woche führen wir den Spital über unseren Krisenstab. Das heisst, dass wir, wie etwa bei einem Erdbeben, nach einem fixen Schema Personal, Mittel und Finanzen einteilen. Zusätzlich haben wir einen medizinisch-pflegerischen Fachrat bestimmt. Er trifft sich jede Woche mehrmals, um die Situation immer wieder neu einzuschätzen. Es geht um eine optimale Bereitstellung der verfügbaren Kapazitäten. Dazu gehört vorsorglich etwa, dass möglichst viele Patienten ambulant statt stationär behandelt werden. Und die Triage auf der Notfallstation eine Trennung von üblichen Patienten und Corona-Patienten im separaten Notfallzelt vorsieht. Der Fachrat wird auch von Tag zu Tag die Bettenkoordination zwischen den Stationen anpassen – je nachdem wie die Zahl der Corona-Patienten ansteigen wird.»
Die prognostizierte Welle von infizierten Patienten ist also im SZO noch nicht eingetroffen – steht aber wohl kurz bevor?
«Wir haben bisher rund 150 Fälle behandelt. Davon sind aktuell neun bis zehn stationär hospitalisiert. Die ersten drei Erkrankungen verliefen ernsthafter. Diese Fälle wurden umgehend auf die Intensivstation nach Sitten verlegt. In der ersten Phase meldeten sich bei uns im Notfall täglich rund 25 Patienten. Jetzt sind es auf 24 Stunden noch gut 15.»
Das widerspricht ja allen Erwartungen und öffentlichen Diskussionen.
«Das ist die Folge einer funktionierenden Aufklärung durch die Behörden. Die Menschen wissen, mit welchen Symptomen sie sich beim Hausarzt oder bei uns melden sollen, um eine allfällige Ansteckung zu testen. Und sie nehmen sich auch zurück, um das System nicht unnötig zu belasten respektive für die ernsthaften Fälle frei zu halten. Wir haben festgestellt, dass die Bevölkerung im Oberwallis sehr überlegt und verantwortungsvoll reagiert.»
Das heisst, im SZO ist es derzeit relativ ruhig?
«Wir hatten schon lange nicht mehr so viele leere Betten wie jetzt. In der Regel sind wir um diese Jahreszeit voll ausgelastet. Weil in den Skigebieten der Betrieb stillsteht, verfügen wir aktuell über 60 freie Betten. Sollten die Coronavirus-Fälle massiv ansteigen, käme uns das so gesehen gelegen. Eine Umwandlung von chirurgischen in internistische Abteilungen ist über Nacht innert Stunden möglich, wenn zusätzlicher Betten- und Isolationsbedarf ansteht.»
Sie sind also parat?
«Wir haben ein Fünf-Stufen-Konzept vorbereitet. Acht Betten stehen aktiv für Eintritte von COVID-19-Patienten sofort bereit. Innert weniger Stunden werden wir die Abteilungen umstellen und weitere 20 Betten bereitstellen können. Innert Tagesfrist wären wir dann auf 35 Betten. Käme es zu einem zusätzlichen Anstieg stationärer Eintritte, würden wir uns nochmals neu orientieren. Heute gilt: Wir haben für Patienten, die wegen des Coronavirus hospitalisiert werden müssen, genügend Betten. Deren professionelle Pflege ist für sie garantiert. Gewisse Grenzen haben wir für eine allenfalls notwendige Betreuung von schwer therapierbaren Patienten auf der Intensivstation. Hier stehen im SZO maximal 24 Beatmungsgeräte zur Verfügung.»
Man hört, dass viele planbare Operationen abgesagt respektive verschoben wurden, um möglichst hohe Kapazitäten für COVID-19-Patienten frei halten zu können.
«Es gibt viele Patienten, die eine geplante Operation von sich aus zurückzogen. Wir haben dies insbesondere bei einer längeren Aufenthaltsdauer empfohlen. Operationen mit einer Aufenthaltsdauer von maximal zwei Tagen führen wir nach Möglichkeit durch. Es macht keinen Sinn, diese beispielsweise auf den Sommer zu verschieben. Dann haben wir nicht mehr Kapazitäten als heute. Aktuell ist es in unseren Operationssälen eher ruhig – auch weil die Wintersportunfälle fehlen.»
Dann gibt es im SZO also keine Bilder wie jenes von der italienischen Krankenschwester, die an ihrem Arbeitsplatz vor Erschöpfung eingeschlafen ist?
«Nein. Unsere Leute machen derzeit noch keine Überstunden.»
Vergleichen Sie das mit der berühmten Ruhe vor dem Sturm?
«Unser Alltag ist momentan geprägt von vielen Fragen rund um das Coronavirus. Sie sind eine nach der anderen abzuarbeiten. Niemand hat etwas Ähnliches schon mal erlebt. Ich spüre einen gewissen Respekt vor der Krankheit. Deshalb haben wir beispielsweise als eine der vielen Vorsichtsmassnahmen bei der Patientenannahme Plexiglasscheiben montiert. Umso unverständlicher ist, dass uns kistenweise Schutzmasken und zahlreiche Flaschen Desinfektionsmittel gestohlen wurden, die wir zum Schutz der Patienten wie Mitarbeitenden bereitgestellt hatten.»
Mittlerweile haben Sie ein Verbot für Besuche und Patientenbegleitung erlassen. Warum?
«Zum Schutz der Patienten. Bei einem üblichen Spitalaufenthalt wollen wir aus Gründen der Übertragungsgefahr keine Besucher mehr. Das bringt nur Unruhe ins Haus. Wir bitten die Patienten dafür um Verständnis. Bei schweren Erkrankungen wird punktuell durch die Fachkräfte entschieden, ob den engsten Familienangehörigen Zutritt gewährt wird. Strikte sind wir bei der Begleitung von Patienten zwischen den Stationen durch Angehörige oder auch bei Botengängen. Diese Aufgaben werden seit Montagabend konsequent durch Angehörige des Zivilschutzes übernommen. Der Zivilschutz hat uns hier für die beiden Standorte in Visp und Brig je zwei bis drei Personen abgestellt. Letzte Woche leisteten sie ihre Arbeit noch bei der Eingangskontrolle. Wir sind froh um diese Unterstützung.»
Seit gestern sind die Schulen geschlossen. Gab es Mitarbeitende, die aus Gründen der Kinderbetreuung der Arbeit fernblieben?
«Es gab Eltern, die uns fragten, was sie jetzt machen sollen. Das galt es zu klären. Mit unseren Dienstleistungen können wir da nicht wirklich helfen. Die Eltern sollen die eigens geschaffenen Betreuungsangebote der Kitas und der Schulen an ihren Wohnorten nutzen, welche unter anderem prioritär für die Mitarbeitenden der Gesundheitsinstitutionen vorgesehen sind.»
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