Interview | Schlosswart Arthur Huber
«Einen Geheimgang habe ich nie gefunden»
Morgen geht Arthur Huber (64), Schlosswart des Stockalperschlosses, in Pension. Ein Interview über seine fast 33-jährige Zeit als «Schlossgeist», Geheimgänge im Schloss und warum er die Geranien im Schlosshof nicht so besonders mag.
Arthur Huber, jetzt wo Sie in Pension gehen, können Sie es doch sagen: Gibt es im Stockalperschloss einen Geheimgang, der zur Kirche in Glis führt?
Dieses Gerücht, dass es einen solchen Fluchttunnel gegeben hat, hält sich weiterhin hartnäckig. Aber einen Geheimgang habe ich in meinen über 30 Jahren als Schlosswart nie gefunden. Und ich muss auch sagen, dass ich mir kaum vorstellen kann, dass es einen solchen je gegeben hat. Aber wer weiss (lacht)?
Im Jahr 1986 haben Sie die Stelle als Schlosswart des Stockalperschlosses angetreten. Wie kam es dazu, dass Sie als Zürcher zu diesem Job gekommen sind?
Ich hatte schon zuvor mit einem Kollegen eine Sägerei in Susten eröffnet, ich lebte also schon im Wallis. Die Arbeit in der Sägerei wurde mir damals aber zunehmend zu anstrengend und daher war ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung. Eines Tages stiess ich dann in der Zeitung auf ein Inserat, in dem ein neuer Schlosswart gesucht wurde. Darauf habe ich mich dann beworben und bin so Schlosswart im Stockalperschloss geworden. Wobei ich sagen muss, dass ja nicht nur ich eingestellt wurde.
Wie meinen Sie das?
Damals war es üblich, dass Stellen wie die des Schlosswarts mit einem Ehepaar besetzt wurden. Das heisst, dass nicht nur ich, sondern auch meine Frau eingestellt wurde.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihren ersten Arbeitstag?
Es war ein Sprung ins kalte Wasser, kann man so sagen (lacht). Der Stadtrat von Zofingen hatte sich für eine Führung angekündigt und mir fiel es zu, die Herrschaften durch das Schloss zu führen und sie über seine Geschichte aufzuklären. Stadtpräsident von Zofingen damals war Willy Loretan, der damals auch als Nationalrat amtete. Nach der Führung war noch ein Apéro geplant. Mitten während der Führung nahm mich Willy Loretan plötzlich zur Seite und sagte: «Du, Arthur, das, was du da erzählst, hat aber mit Stockalper nicht viel zu tun. Da musst du dich noch etwas besser einlesen.» Loretan schlug daher vor, lieber direkt zum Apéro überzugehen, was wir dann auch getan haben (lacht lange). In der Folge war ich gezwungen, Dinge über das Schloss und seine Bewohner zu lernen, schliesslich bin ich ja kein ausgebildeter Historiker. Dabei habe ich stark von der Arbeit profitiert, die das Forschungsinstitut für Geschichte im Alpenraum geleistet hat. So entstand eine Führung durch das Schloss, die schlussendlich Hand und Fuss hatte und die auch den neusten Erkenntnissen entsprach. Dieses Wissen habe ich dann über die Jahre hinweg an viele andere Leute weitergegeben, die Führungen durch das Schloss gemacht haben.
Wie gestaltete sich die Arbeit des Schlosswarts sonst so im Jahr 1986?
Vor 33 Jahren gab es ja noch keine Handys. Telefonisch erreichbar war man nur auf dem Festnetzanschluss in der Wohnung. Morgens machte man sich einen Tagesplan mit den zu erledigenden Arbeiten und dann war man im Schloss unterwegs, um die Liste abzuarbeiten. Wenn nun etwas Dringendes anstand, so musste man bei meiner Frau in der Wohnung anrufen und sie musste mich dann suchen, was schon einmal etwas dauern konnte, schliesslich ist die Anlange ja doch recht gross. Je mehr die mobile Erreichbarkeit zunahm, desto weniger konsequent konnte man seinem Tagesplan folgen. Die Strukturveränderungen meiner Arbeit dadurch waren schon recht gross. Heutzutage ist die Arbeit geprägt durch ständiges Umdisponieren. Gleichzeitig muss man schauen, dass man die wichtigen Tagesziele trotzdem erreicht. Diese Entwicklung wurde natürlich noch dadurch verstärkt, dass im Schloss immer mehr Anlässe stattfanden, an deren Organisation der Schlosswart natürlich massgeblich beteiligt ist. Die Arbeit ist heute schon eine ganz andere als früher und auf alle Fälle hektischer.
Was hat Ihnen an Ihrer Arbeit am meisten Freude bereitet?
Ich habe immer gerne mit Menschen gearbeitet. Wenn ich helfen konnte, einen gelungenen Anlass zu organisieren, dann hat mir das viel Befriedigung in meiner Arbeit gegeben. Natürlich waren auch die Umbauten und Renovationen, die ich miterlebt habe, sehr spannend, aber die Arbeit mit den Menschen hat mir immer am meisten Spass gemacht.
Und was mochten Sie an Ihrer Arbeit am wenigsten?
(lacht laut) Toiletten putzen. Das ist natürlich etwas, was dazu gehört, aber wenn Besucher des Schlosses auf der Toilette eine wirkliche Schweinerei hinterlassen haben, dann waren das wirklich nicht die angenehmsten Momente.
Von den Geranien im Schlosshof sind Sie auch nicht der grösste Fan, oder?
Nein, nicht wirklich (lacht). Ich fand immer, dass diese Blumen eigentlich nicht in den Schlosshof passen. Schliesslich stammen Geranien aus China und waren zur Zeit Stockalpers im Oberwallis nicht heimisch. Und ausserdem ist es eine höllische Arbeit, jeden Tag 60 Geranientöpfe mit der Giesskanne zu giessen. Zum Glück wurde vor einiger Zeit eine Berieselungsanlage installiert, sodass mir die Blumen heute viel weniger Arbeit machen als früher. Aber ich weiss, dass die Touristen die Geranien im Schlosshof lieben, und darum kann ich trotz einer kleinen persönlichen Abneigung gut mit ihnen leben.
Eine grosse Sache während Ihrer Zeit als Schlosswart war die Neuanlegung des Schlossgartens. Wie standen und stehen Sie zu der Anlage?
Vor dem jetzigen Garten war die Anlage ja sehr naturbelassen. Das hat mir immer gut gefallen. Als ich dann zum ersten Mal die neue, französisch geprägte Gartenanlage sah, war ich schon recht skeptisch. Man sprach von einem «Lustgarten», ich denke aber, dass es in den versteckten Winkeln der alten Anlage mehr Lust gab (lacht). Heute aber muss ich sagen, dass die neue Anlage wunderbar genutzt wird und dass dank der besseren Übersichtlichkeit und dem gepflegten Erscheinungsbild Vandalenakte und dergleichen stark zurückgegangen sind, sodass der Schlossgarten heute ein toller Platz für die gesamte Bevölkerung und die Touristen ist.
Viele Jahre haben Sie mit Ihrer Familie im Schloss gewohnt. Können Sie dieses Privileg behalten?
Nein, ich bin schon ausgezogen. Es handelt sich um eine Dienstwohnung, die nun vom neuen Schlosswart bewohnt wird. Weit weg gezogen bin ich aber nicht, und wenn ich morgens aufwache und aus dem Fenster schaue, ist das Stockalperschloss das Erste, was ich sehe. Entzugserscheinungen dürfte ich also wohl nicht bekommen.
Werden Sie nach Ihrer Pensionierung dem Schloss in irgendeiner Form erhalten bleiben?
Seit vielen Jahren betreue ich schon die Gemäldesammlung des Stockalperschlosses. Das werde ich auch in Zukunft auf Mandatsbasis machen. So schnell wird mich das Schloss also nicht los.
Sie waren praktisch 24 Stunden, sieben Tage die Woche für das Stockalperschloss im Einsatz. Haben Sie nicht Angst, dass Ihnen nach Ihrer Pensionierung etwas fehlen wird?
Auf keinen Fall. Wie gesagt betreue ich ja weiterhin die Gemäldesammlung des Schlosses. Dann werde ich mich meinem Hobby Velofahren intensiver widmen können. Und es wird sicher mehr Zeit bleiben, um alte Freunde wieder vermehrt zu treffen. Langweilig wird mir also sicher nicht. Ganz im Gegenteil, vielleicht muss mich meine Frau schlussendlich noch bremsen, damit ich mir nicht zu viel aufhalse (lacht).
Vor 70 Jahren, als der damalige Stadtpräsident von Brig Moritz Kämpfen den Kauf des Schlosses von der Familie Stockalper initiierte, war das Schloss in einem desolaten Zustand und kurz vor dem Verfall. Haben
Sie Angst, dass es dem Schloss eines Tages wieder so ergehen könnte?
Nein, so lange sich an den Strukturen, also der Zusammenarbeit von Stadtgemeinde und der Schweizerischen Stiftung für das Stockalperschloss nichts ändert, ist das Schloss in sehr guten Händen und es werden sich noch viele Generationen an diesem herrlichen Bauwerk erfreuen können.
Zum Schluss müssen wir noch eine Sache klären. Warum wollen Sie sich nicht festlegen, ob Sie oder Stadtpräsident Louis Ursprung der wahre Schlossherr sind?
Als ich 1986 meine Stelle antrat, war Rolf Escher Stadtpräsident. Dieser machte mir damals schnell klar: «Ich bin der Schlossherr, du bist der Schlosswart.» Mit Peter Planche klärte ich diese Frage nicht und Viola Amherd wollte naturgemäss nicht Schlossherr sein. Mit Louis Ursprung habe ich die Frage, wer von uns der Schlossherr ist, nie geklärt und ich werde es wohl auch nicht mehr tun (lacht). Deshalb der Joker.
Martin Meul
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar