Interview | Kabarettist und Humortrainer Damian Gsponer

«Bis jetzt habe ich noch keine Grenze des Humors erfahren»

«Humorvoll sein heisst, sich nicht in Extremen zu verlieren», Damian Gsponer.
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«Humorvoll sein heisst, sich nicht in Extremen zu verlieren», Damian Gsponer.
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Damian Gsponer ist Kabarettist und Humortrainer. Ein ernsthaftes Gespräch über die komischen Seiten des Lebens und warum Humor eine Sache des Trainings ist.

Damian Gsponer, der Herbst ist da. Für viele eine eher schwermütige Zeit. Wie ist es bei Ihnen? Sind Sie während der dunklen Jahreszeit genauso lustig wie sonst?

Ich versuche, es nicht zu sein und mit der Natur mitzugehen.

Das müssen Sie erklären.

Allgemein sind Herbst und Winter die Jahreszeiten, in denen alles ein wenig zur Ruhe kommt. Ich versuche in dieser Zeit, Phasen, in denen ich nicht kreativ bzw. lustig sein muss, bewusst anzunehmen. Das heisst, dass ich mich einer gewissen Lethargie hingebe und ausspanne.

Viele Menschen versuchen mit aller Macht das Gegenteil. Man probiert, der gedrückten Stimmung im Herbst und Winter aktiv entgegenzuwirken. Das ist also Ihrer Ansicht nach nicht sinnvoll?

Ich bin überzeugt, dass man Situationen und Stimmungen voll und ganz annehmen sollte, auch jene, die auf den ersten Blick negativ erscheinen. Wenn man dies tut und das Ganze sogar noch überzeichnet und verstärkt, so kommt man an einen Punkt, an dem man auch tragischen Situationen plötzlich etwas Komisches abgewinnen kann. Alles hat seine Grenzen, erreicht man diese, so eröffnet sich eine neue Perspektive, in diesem Fall eine humorvolle. Wichtig ist, dass man sich nicht steuern lässt, sondern selbst die Kontrolle übernimmt, sich selbst gegenüber ehrlich ist.

Sie sagen, dass Sie es auch geniessen, einmal nicht lustig sein zu müssen. Als professioneller Kabarettist müssen Sie aber oft auf Kommando Humor verbreiten. Wie gelingt Ihnen das?

Es ist eine Frage des Trainings, wie bei so vielem im Leben.

Und wie trainiert man, lustig zu sein?

Ich mache das gerne über den Körper. Das bedeutet, dass wir unserem Köper beibringen müssen, Komik zu empfinden. Wenn man sich beispielsweise jeden Morgen bewusst im Spiegel anlacht, so speichert der Körper dieses Verhalten irgendwann ab und es wird zu einer Art Routine am Morgen, lustig und positiv zu sein.

Nun gut, das mag am Morgen funktionieren. Was ist aber, wenn ich spontan in eine Situation gerate, die alles andere als zum Lachen ist. Wie kann ich hier meinen Humor nicht verlieren?

Das Zauberwort für mich ist in diesem Zusammenhang: paradoxes Denken. Neben der Möglichkeit, eine Situation zu überzeichnen, kann man auf der Suche nach Humor eine Angelegenheit eben auch paradox, sprich aus einer anderen Perspektive oder mit Distanz sehen. Ein Beispiel: Am Montag haben meine Nachbarn in ihrem Garten einen alten und grossen Baum gefällt. Im ersten Moment hat mich das geärgert, denn alle reden über CO2-Neutralität und Klimaschutz und meine Nachbarn wissen nichts Besseres, als einen grossen Baum, der ja viel CO2 aufnimmt, zu fällen. Dann aber habe ich versucht, die Sache von einem anderen Standpunkt zu sehen und habe mir vorgestellt, dass meine Nachbarn vielleicht Anhänger der CSP sind, und den Baum aus Frust fällen, um den Grünen nach dem weggeschnappten Sitz am Wochenende provokativ Grünfläche zur Verfügung zu stellen. Schon war der Ärger verflogen. Das meine ich damit, wenn ich sage, dass man einer unzulänglichen Situation paradox begegnen sollte. Gelassenheit macht sich breit, wo am Anfang Unverständnis und Zorn herrscht über eine noch nicht einmal aufgeklärte Situation. Das funktioniert übrigens auch, wenn man über sich selbst nachdenkt. Es gibt immer andere Ansichten für eine Situation, wenn man bloss seine persönliche Befangenheit kurz aussen vor lässt.

Erzählen Sie.

In unserem aktuellen Programm «Alz und Nix» befasse ich mich mit meiner Geburt. Ich war eine schwierige Sitzgeburt. Entsprechend war ich ziemlich blau, als ich auf die Welt kam. Nun kann man das als tragisch ansehen, oder man sucht eben nach dem Paradoxon in der Angelegenheit. Ich sage im Stück zum Beispiel: «Ich bi en Sitzgeburt gsi und daher blau aglufu, bisi üsa bi gsi. Stellet ew mal das Theater vor, ischi wa alli Gälbi sind.» (lacht)

Gibt es Situationen, in denen selbst Ihnen das Lachen vergeht? Hat Humor für Sie Grenzen?

Ich hoffe nicht, dass mir das eines Tages passiert, will heissen, bis jetzt habe ich noch keine Grenze des Humors erfahren. Ich arbeite ja bewusst damit auf der Bühne und bei Kursen, die ich gebe. Schon als Kind war bei mir, auch in den schwierigsten Momenten, der Humor als Gegenspieler plötzlich da, und ich habe aus der Tragik heraus Komödie gemacht. Andererseits kommt es auch vor, dass, wenn um mich herum die reine Freude herrscht, ich mich als distanzierter Beobachter wahrnehme. Wie gesagt: Man kann alles anders sehen, eine andere Sichtweise einnehmen und so den stetigen Wandel erkennen, respektive diesen mitgehen. Humorvoll sein, heisst ja im Fluss sein, ausgeglichen bleiben und sich nicht im Extremen zu verlieren. Leider erlebe ich zunehmend, dass diese Fähigkeit in der Gesellschaft verloren geht.

Wie meinen Sie das?

Wer nicht versucht, eine andere Sichtweise einzunehmen, der landet ganz schnell beim Fanatismus. Dort herrscht die Haltung vor: Ich habe recht und du nicht. Verfolgt man die politischen Debatten zum Beispiel zum Klimaschutz, stellt man fest, dass aber die Diskussionen genauso geführt werden. Es fehlt an Selbstreflexion und somit auch an Humor. Das finde ich sehr gefährlich und ich bin überzeugt, dass wir wieder zu einer Kompromisskultur zurückkommen müssen. Wir sind Naturwesen und noch nicht künstliche Wesen. Gegen Programmierfehler hilft ständiger Austausch untereinander.

Stichwort politische Debatten. Sie selbst äussern sich gerne in den sozialen Medien zum aktuellen Zeitgeschehen. Warum tun Sie das, was ist Ihre Motivation als Kabarettist und Clown, sich einzumischen?

Manchmal benutze ich die Strategie des «provokativen Humors». Wer eine Meinung platziert, oder wie ich die Haltung der Gesellschaft spiegelt oder gar überspitzt wiedergibt, erntet schnell Reaktionen von anderen Menschen. Da ich es wichtig finde, dass man sich als Mensch mit den Vorgängen in der Gesellschaft auseinandersetzt und sich auch äussert, «provoziere» ich manchmal mit diesen Spiegelungen. Es gibt nämlich nichts Schlimmeres, als eine schweigende und somit fremdbestimmte, «programmierte» Gesellschaft. So erfahre ich auch mehr über die Sichtweise der «Andersdenkenden». Nehmen wir das Beispiel Greta Thunberg und die Klimademos. Ich habe rund um den Umweltkonflikt beinahe einen noch grösseren Konflikt wahrgenommen, nämlich den Generationenkonflikt, der mir mehr Sorgen macht. Solche Gedanken äussere ich dann auch in den sozialen Medien. Was halt nicht immer auf Gegenliebe stösst. Ich versuche dann, einen persönlichen Angriff nicht zu kontern. Mich interessiert der Mensch und seine Wahrheit, sein Antrieb in der Gesellschaft. Diese Haltung versuche ich auch in meinen Seminaren und Bühnenshows weiterzugeben. Wichtig ist, dass man sich selbst wieder wahrnimmt und sich seine eigenen Gedanken über persönliches Handeln macht. Es ist meiner Meinung nach ein grosser Fehler, sich blind einer «Mainstream-Haltung» anzuschliessen und den Kontakt zum eigenen Denken und Handeln aufzugeben.

Des Öfteren ist zu hören, dass der Druck auf Kabarettisten und Humoristen zunimmt. Die Grenzen von dem, was man noch sagen dürfe, würden immer enger. Wie sehen Sie das?

Persönlich habe ich diese Erfahrungen auf der Bühne noch nicht gemacht. Ich versuche, die Essenz eines Themas herauszuarbeiten und darin die Komik zu finden. Wenn sich dahinter der Einzelne widerspiegelt sieht, über sich selbst lachen kann, habe ich viel erreicht, und er fühlt sich nicht blossgestellt. Persönliche Angriffe oder Ermahnungen tragen nichts zu einer Veränderung in der Gesellschaft bei. Der Druck legt sich bei mir beim Schreiben neuer Texte nach und nach ab, wenn ich die Dramatik der Themen humorvoll umschreibe. Ich sehe den Clown, den Narren oder heutigen Kabarettisten traditionellerweise als ein Vermittler, jemand, der das aussprechen darf, was andere nicht dürfen. Ein instrumentalisierter Clown oder Narr wäre ein Verrat an diesem Prinzip. Aus diesem Grund habe ich in den vergangenen Jahren mehrere Anfragen abgelehnt, für Politiker öffentlich Wahlpropaganda zu betreiben.

Apropos Verrat. Derzeit läuft in den Kinos der Film «Joker». Die Figur des netten und humorvollen Spassmachers wird darin vollkommen ins Gegenteil verkehrt. Der «Joker» sieht zwar aus wie ein Clown, ist jedoch der Inbegriff von Gewalt. Stört es Sie, wenn die Figur des Clowns so umgedeutet wird?

Ich lehne schockierende Werke nicht ab, wie ich das mit billigen Horrorfilmen tue. Ich habe den Film gesehen und
es war mir unangenehm, den Film auszuhalten. Er schafft es, dass der Zuschauer ein Verständnis dafür
bekommt, dass Gut und Böse in uns allen schlummert. Du fragst dich immer, wann kippt der Typ, wann hat er das Leid satt und rächt sich mit zerstörerischer Gewalt. Wer im Leben Gewalt vermitteln will oder gewaltsam um Anerkennung ringt, ringt nach Macht. Unaufhaltsames Streben nach Macht endet in der Zerstörung. Das falsche Lachen, in diesem Fall die Maske, dient als Tarnung einer tiefen seelischen Zerstörung.

Martin Meul

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Infos

Zur Person

Vorname Damian
Name Gsponer
Geburtsdatum 23. Juni 1971
Familie verheiratet, eine Tochter
Beruf Kabarettist, Humortrainer, Gesundheitsclown
Hobbies Garten, Lesen, Schreiben, Ausdauersport

Nachgehakt

Meine Tochter findet mich gar nicht witzig. Ja
Man sollte als Erstes über sich selbst
lachen können.
Ja
Politische Korrektheit ist der Feind
guten Humors.
Ja
Der Joker darf nur einmal gezogen werden.  

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