Frontal | Albiner unterrichtet in Zermatt
«Ein Schneesportlehrer aus Afrika ist speziell»
Er kommt aus dem Senegal und wuchs im Kanton Waadt auf. Sein Stiefvater stammt aus Albinen. Und seine Faszination ist der Wintersport. Moussa Diop ist Snowboard- und Skilehrer in Zermatt und spricht über seinen Traumberuf.
Moussa Diop, wie ist Ihre Freude zum Wintersport entstanden?
Ich habe spät mit dem Skifahren begonnen. Das hat auch damit zu tun, dass ich mit meiner Familie selten auf der Piste weilte. Ich erinnere mich, dass ich als 12-Jähriger erstmals richtig und regelmässig auf Skiern stand und mit 14 Jahren erstmals auf einem Snowboard fuhr.
Aber die Bergwelt hat Sie schon immer fasziniert?
Ja, ich liebe die Berge. Seit meiner Kindheit interessieren sie mich. So sehr, dass ich früher ihre Namen und ihre Höhenmeter auswendig gelernt habe. Ich bin im Kanton Waadt aufgewachsen und als ich vermehrt Verantwortung für mich übernommen habe, ging ich regelmässig Ski oder Snowboard fahren.
Sie kamen als 4-Jähriger aus dem Senegal in die Schweiz. Ihr Stiefvater ist aus Albinen. Haben Sie zwischendurch auch Zeit im Oberwallis verbracht?
Während meiner Kindheit verbrachte ich nicht so viel Zeit im Oberwallis. Doch das änderte sich später. Gerade als Ski- und Snowboardlehrer habe ich eine Tätigkeit im Oberwallis bevorzugt. Die Region gefällt mir ausgezeichnet.
Wann haben Sie gespürt, dass Sie als Schneesportlehrer arbeiten wollen?
Ich durfte in einem jurassischen Schneesportgebiet aushelfen. Dies allerdings nur während meiner Ferienzeit und an den Wochenenden. Damals war ich knapp 20-jährig und realisierte bald, dass ich diese Arbeit gänzlich ausführen möchte. Der Entscheid, mich als Snowboardlehrer ausbilden zu lassen, war demnach schnell gefällt.
Demnach bevorzugen Sie den Winter gegenüber dem Sommer?
Ja. Ich habe ganz klar lieber den Winter.
Sie wohnen und arbeiten nun seit sechs Jahren in Zermatt. Wie sieht Ihr Arbeitstag aus?
Am Morgen gilt es den Wind und das Wetter genau zu studieren, bevor ich mich mit dem Tagesplan auseinandersetze. Aufgrund der Wetterlage entscheide ich, wo ich mit den Gästen genau hingehen möchte. Erst dann hole ich sie in ihrem Hotel ab oder treffe sie vor einer Talstation. Dann tauschen wir uns gegenseitig aus.
Worüber?
Sie erzählen mir, was sie für Vorstellungen haben, und ich sage ihnen, was ich ihnen anbieten kann. Zuletzt geht es darum, dass der Gast gänzlich zufrieden ist. Das ist unsere Aufgabe.
In Zermatt ist die Gästeklientel unterschiedlich. Ski- und Snowboardlehrer müssen sprachlich begabt sein, einverstanden?
Ja, das ist so. Selber spreche ich drei Sprachen. Französisch. Englisch. Deutsch. Und etwas Schweizerdeutsch. Wir müssen uns mit den Leuten austauschen können.
Was sind für Sie die Schattenseiten Ihrer Arbeit?
Nun, es gilt zu sagen, dass viele Menschen ein falsches Bild haben von Wintersportlehrern. Sie sehen nur die Vorzüge unseres Berufs; das Arbeiten auf der Piste, das Skifahren im vorzüglichen Panorama. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Es gibt Schattenseiten: wenn es windig und kalt ist oder wenn Gäste ihre Unzufriedenheit uns gegenüber äussern. Dennoch überwiegen die Vorteile. So auch bei den Feriengästen, mit denen wir uns unterhalten; sie geniessen im Wallis ihren Urlaub und haben viel Spass.
Wie oft begegnen Sie unzufriedenen Gästen?
Ich denke, dass über 90 Prozent der Gäste sehr nett und freundlich sind. Aber zwischendurch begegnest du auch Gästen, bei denen du diplomatisch sein musst.
Diplomatisch?
Ja, es gibt Gäste, die äussern sich negativ über schlechte Pisten- oder Wetterverhältnisse. Dann ist unsere Diplomatie gefragt.
Welchen Gast schätzen Sie besonders?
Ich mag die kommunikativen Menschen. Diejenigen, die sich mit mir unterhalten. Die extrovertierten Gäste eben, die auch von sich aus etwas erzählen.
Halten Sie mit Gästen auch Kontakt abseits der Pisten?
Ja, das gibt es natürlich. Mittlerweile habe ich mehrere Gäste, mit denen ich ganzjährlich in Kontakt bleibe. Daraus sind zum Beispiel auch schon richtige Freundschaften entstanden. Oder dann gibt es eine spezielle Geschichte mit einem jungen Mann.
Erzählen Sie.
Als ich erstmals mit ihm auf der Piste war, war er noch ein Teenager. Mittlerweile ist er 18-jährig und wir haben im Ausgang kürzlich zusammen ein Bier getrunken. Das sind spezielle und bereichernde Begegnungen. Erwähnenswert sind jedoch auch die älteren Gäste, die wir nach einem Arbeitstag auch gerne einmal auf einen Drink treffen.
Viele Ski- und Snowboardlehrer haben nicht gerne Anfängerunterricht. Gehören Sie auch zu denen?
Nein, gar nicht. Ich habe sogar sehr gerne zwischendurch die Anfänger bei mir im Unterricht. Das hat einen Grund: Ich bin überzeugt, dass man die Arbeit eines Schneesportlehrers am besten sieht, wenn er über eine Woche einen Anfänger bei sich hatte. Seine Entwicklung ist quasi auch eine Visitenkarte für den Wintersportlehrer. Aber Sie haben recht, manch ein Ski- und Snowboardlehrer mag die Anfänger nicht so.
Sie stammen aus dem Senegal und sind Schneesportlehrer. Werden Sie darauf manchmal angesprochen?
Ja, manche Leute zeigen sich schon erstaunt darüber, dass sie einen dunkelhäutigen Snowboardlehrer antreffen. Als ich vor meiner Tätigkeit in Zermatt auf der Lenzerheide gearbeitet habe, erlebte ich eine witzige Anekdote: Von sämtlichen Wintersportlehrern hing vor der Skischule ein Foto an der Wand. Ich stiess hinzu, als mehrere Gäste sich über mein Bild wunderten. Sie sagten sich, oh, ein dunkelhäutiger Skilehrer. Dann stand ich hinter ihnen und winkte freundlich zu. Wir lachten dann alle zusammen. Ich verstehe die Leute durchaus, denn einem afrikanischen Ski- und Snowboardlehrer begegnen sie wohl auch nicht alle Tage.
Hat Ihre Hautfarbe einen Einfluss auf Ihre Arbeit?
Nein, das denke ich nicht. Ich bin sehr stolz auf meine Wurzeln und will den Leuten zeigen, dass wir unsere beruflichen und privaten Ziele unabhängig von unserer Hautfarbe verwirklichen können.
Fühlen Sie sich als Schweizer?
Ganz klar ja. Ich bin Schweizer, lebe in der Schweiz und habe sämtliche Ausbildungen in der Schweiz absolviert.
Warum haben Sie sich eigentlich für Zermatt als Arbeitsort entschieden?
Ich habe früher in der Deutschschweiz gearbeitet, um mein Deutsch aufzubessern und kehrte später nach Crans-Montana zurück. Während dieser Zeit war Zermatt für mich immer ein bisschen eine Wunschdestination, weshalb ich mein Glück versuchte und prompt eine Anstellung fand. In Zermatt gibt es für Ski- und Snowboardlehrer immer genug Arbeit, das war nicht ganz unwesentlich für meinen Entscheid.
Die erste Saison nutzten Sie quasi als eine Art Testsaison?
Das war für mich wichtig, um zu sehen, ob ich mich überhaupt in der Destination wohlfühle. Heute – sechs Jahre später – kann ich sagen, es war der beste Entscheid, dort zu bleiben.
Ist Wintersportlehrer Ihr absoluter Traumberuf?
Ohne Wenn und Aber: Ganz klar ja.
Sie haben Ihr Hobby zum Beruf gemacht. Birgt das nicht auch Gefahren in sich?
Nein, ich sehe gerade im Snowboardfahren weiterhin ein schönes Hobby. Ich fahre auch an freien Tagen regelmässig auf meinem Brett. Es ist jedoch wichtig, zu unterschieden, wenn ich als Privatperson im Skigebiet bin und wenn ich berufsmässig Wintersport betreibe.
Welche Ziele verfolgen Sie für die kommenden Jahre?
Ich habe mich vor drei Jahren zum Ausbildungsleiter für Wintersportler ausbilden lassen. Konkret gebe ich vor einer Wintersaison in der Romandie diverse Kurse für Wintersportlehrer. Das gehört für mich zur logischen Weiterentwicklung dazu, denn ich will mein Know-how den neuen Lehrern weitergeben. In diese Richtung werden sich auch in den nächsten Jahren noch Türen öffnen.
Sind Sie in sechs Jahren noch immer in Zermatt?
Das ist gut möglich. In Zermatt stimmt für mich zurzeit wirklich alles. Ich mag dieses Dorf und seine Leute.
Was machen Sie denn im Sommer?
Ich habe das Glück, dass wir in Zermatt auch während den Sommermonaten Ski und Snowboard fahren können, doch natürlich ist bei uns vor allem im Winter viel los. Deshalb nutze ich die Zeit im Sommer vermehrt dazu, meine Familie zu besuchen oder eine Tour auf einem Motorrad zu machen.
Simon Kalbermatten
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