Raron | Frontalinterview mit Samuel Summermatter von der Air Zermatt
«Heliskiing-Flüge sind ein nicht bezahlbares Training»
Er ist seit 27 Jahren Pilot und amtet als Chefpilot bei der Air Zermatt. Im Gespräch äussert sich Samuel Summermatter (47) zur aktuellen Klimadebatte und zu den damit verbundenen Auswirkungen auf die Flugbranche.
Samuel Summermatter, vor Kurzem absolvierte die Air Zermatt ihren insgesamt 50000. Rettungseinsatz, mit schliesslich glimpflichem Ausgang. Haben Sie dieses Ereignis speziell gefeiert?
Wir haben keinen Champagner getrunken. (lacht) Schliesslich war es ein Einsatz, wo es um die Rettung von in Not geratenen Berggängern ging, und deshalb ging der Einsatz professionell über die Bühne. Zudem war es uns ja schon länger klar, dass es demnächst zu diesem «Jubiläum» kommen würde. Doch dass der Einsatz ausgerechnet am Matterhorn stattfinden würde, war natürlich Zufall und wurde dadurch speziell für uns. Unabhängig davon macht uns die grosse Anzahl an Rettungseinsätzen natürlich stolz.
Rettungen gehören zu Ihrem Alltag und entsprechend professionell gehen Sie diese an. Gibt es aber dennoch einen Einsatz in der Vergangenheit, welcher Ihnen persönlich naheging?
Es gibt immer wieder Einsätze, welche einem sehr nahegehen. Hinter jedem stecken menschliche Schicksale, bei welchen oftmals Pech und manchmal viel Glück mitspielen. Darüber macht man sich schon so seine Gedanken und sagt sich, dass man sich im Leben nicht alles aussuchen kann. Während des Einsatzes muss aber der Fokus auf die Arbeit gelegt werden, damit die Sicherheit von sämtlichen an der Rettung beteiligten Personen zu jedem Zeitpunkt gewährleistet bleibt. Nach erfolgtem Einsatz helfen Gespräche mit Kollegen, um das Ganze zu verarbeiten.
Gab es auch schon Einsätze, bei welchen Sie den Kopf schütteln mussten, weil sich Menschen leichtsinnig verhalten haben?
Manchmal fasst man sich schon an den Kopf und stellt sich Fragen, wie so etwas möglich ist. Doch es ist nicht an uns, über irgendjemand oder irgendetwas zu richten. Unsere Arbeit ist und bleibt der Einsatz und Menschen aus ihrer Notlage zu befreien. Manchmal endet das glimpflich und manchmal nicht.
Rettungen sind für die Air Zermatt als gewinnorientiertes Unternehmen einer von mehreren Geschäftsbereichen. Verdienen Sie mit Notlagen von Menschen Geld?
Rettungen sind für uns nicht selbsttragend. Obwohl mittlerweile viele Menschen gut versichert sind, darf nicht vergessen werden, dass das Rettungswesen sehr kostenintensiv ist. Piloten, Maschinen, Flughelfer und medizinisches Personal stehen während des ganzen Jahres rund um die Uhr in Bereitschaft. Das kostet letztendlich viel Geld. Aber wir sind ein Mischbetrieb und bieten dadurch noch andere Dienstleistungen an, bei welchen die Kostenstruktur anders gelagert ist.
«Bei der Ökodebatte wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen»
Alle Ihre Geschäftsbereiche haben eines gemeinsam: Sie fliegen umher und verbrauchen dafür Kerosin. Die Treibstoffpreise sind bei der aktuellen Ökodebatte ein zentrales Thema. Wie denken Sie darüber?
Man weiss heute, dass die globale Flug- und Schifffahrtsindustrie weniger CO2 produziert als die Textilindustrie. Wie viel CO2 dabei produziert wird, wie viel Kinderarbeit dahintersteckt und letztendlich auch unser Planet ausgebeutet wird, darüber wird nicht gesprochen. Das stört mich persönlich, weil das Klima nicht nur ausschliesslich aus Luft besteht. Doch ich finde es absolut wichtig, dass wir uns alle zusammen Gedanken über unsere Zukunft machen und jeder von uns sich die Frage stellt, was er oder sie für den nachhaltigen Schutz der Erde machen kann.
In diesem Zusammenhang ist auch die Rede von alternativen Technologien wie beispielsweise elektrische Antriebe. Das betrifft auch die Flugbranche. Ist ein Flugunternehmen mit ausschliesslich elektrisch betriebenen Hubschraubern denkbar?
Nach meinem Wissen existieren keine elektrisch betriebenen Helikopter, welche unseren Bedürfnissen entsprechen. Eines der Hauptprobleme dabei ist die Speicherkapazität der Batterien, welche zurzeit bei Weitem noch über zu wenig Kapazität verfügen. Ein Rettungshubschrauber in unserer Leistungsklasse verbraucht in etwa fünf Minuten die gesamte Energie eines Elektroautos. Das ist für unsere Zwecke schlicht zu kurz. Selbstverständlich befürworte ich aber die weitere Forschung nach umweltfreundlichen Antrieben. Doch dann muss die ganze Sache zu Ende gedacht werden.
«Rettungen sind für uns nicht selbsttragend»
Was meinen Sie damit?
Eine umwelt- und ressourcenschonende Technologie erreichen wir nur, wenn sie es auch tatsächlich ist. Damit meine ich nicht nur den CO2-Ausstoss. Dann muss auch der Abbau von Rohstoffen wie beispielsweise seltener Metalle für die Batterien und anderer Produkte genauso nachhaltig sein. Oder denken wir an den ganzen Plastikschrott usw., ohne effektiv Alternativen zu fördern. Ansonsten wird bei der Ökodebatte mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Diese Denkweise geht mir persönlich zu wenig weit.
Unmittelbar wird in unseren Breitengraden aber trotzdem über Treibstoffpreise politisiert. Werden diese tatsächlich erhöht, was hätte das für Auswirkungen?
Es käme natürlich darauf an, wie hoch die Preiserhöhung tatsächlich sein würde. Sicher ist aber, dass wir wirtschaftlich unter Druck geraten würden und uns je nach Ansatz neu ausrichten müssten. Das wiederum könnte auch einen Personalabbau nicht ausschliessen.
Ich konfrontiere Sie mit einer These: Seitdem der Mensch weiss, dass er das Klima beeinflusst, fliegt er zunehmend mit schlechtem Gewissen. Daraus resultiert gut und gern das Stichwort «Flugscham». Ist das der Anfang vom Ende der Flugbranche?
Der Mensch wollte schon immer fliegen und wird es auch in Zukunft tun. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Nur alleine in China sind in den kommenden Jahren Hunderte neue Flughäfen in Planung. Ich bin überzeugt, dass nachhaltiger Schutz der Umwelt nur über neue Technologien sowie einen bewussten Umgang und Konsum der grossen Finanz- und Industrie-Player und eines jeden einzelnen Menschen erreicht werden kann.
Ein weiterer Punkt, bei welchem die hiesige Flugbranche im Fokus steht, ist die Debatte über die Gebirgslandeplätze. Der Organisation «Mountain Wilderness» (setzt sich für den Schutz der Wildnis ein, Anm. Red.) sind diese im Zusammenhang mit Heliskiing ein Dorn im Auge. Was sagen Sie dazu?
Heliskiing ist auf eine kurze Zeitspanne von Anfang Jahr bis April beschränkt. Dann beschränkt sich das auf ganz wenige bewilligte Landeplätze und es spricht ein beschränktes Zielpublikum an. Zum einen können wir aber trotzdem ein einmaliges Erlebnis anbieten und zum anderen sind solche Flüge für uns ein nicht bezahlbares Training. In diesen Höhen fliegen wir mit Ausnahme von Rettungen sonst das ganze Jahr über nicht oft und erhalten damit ein qualitativ hochstehendes Training, um uns den meteorologischen und thermischen Umständen auf diesen Höhen anzupassen. Diese Erfahrungen kommen uns dann wiederum gerade bei Rettungen entgegen.
Diese Trainingsflüge können Sie doch aber auch durchführen, ohne gleichzeitig Heliskiing anzubieten?
Im Prinzip schon. Doch damit gewinnt niemand etwas. Die Menge der Trainingsstunden, welche aufzuwenden wäre, um denselben Effekt für unsere Piloten zu erhalten, wäre immens. Ich bin sogar überzeugt, das ist mit Trainings nicht simulierbar, geschweige denn bezahlbar. Wir operieren hier in unserer Region in einem Rettungsgebiet, wo es in der Schweiz am höchsten hinaufgeht. Ehrlich gesagt: Mit Heliskiing können wir wenigstens das Nützliche mit dem Praktischen verbinden, und das ist enorm wichtig für unsere Rettungsfliegerei inmitten von 36 Viertausendern.
Peter Abgottspon
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