Zermatt | Franz Götzenberger, Hotelier und Bäcker
«Ich will einfache Backrezepte weitergeben»
Er ist gelernter Bäcker und Konditor und hat 33 Jahre lang das Hotel Bellavista geführt. Heute reist Franz Götzenberger (69) um die Welt und gibt sein Wissen und seine Erfahrung in der Backstube weiter.
Herr Götzenberger, Sie kommen aus Heilbronn in der Nähe von Stuttgart. Was hat Sie vor mehr als 40 Jahren nach Zermatt verschlagen?
Die Arbeit. Nach meiner Ausbildung als Bäcker/Konditor habe ich eine Anstellung gesucht und bin zufällig in die Schweiz gekommen. Die Arbeit hat mir zwar gut gefallen, aber sonst war es mir hier zu eng. Schon nach fünf, sechs Wochen dachte ich bei mir, hier kann ich nicht leben. Ich habe dann aber trotzdem eine Saison in Zermatt gearbeitet. Kurz bevor die Saison vorbei war, habe ich meine spätere Frau kennengelernt. Weil ich aber schon einen anderen Arbeitsvertrag im Sack hatte, bin ich trotzdem gegangen.
Später sind Sie wieder nach Zermatt zurückgekehrt?
Nach einem Aufenthalt in Weggis habe ich in Bayern und in Österreich gearbeitet, danach verbrachte ich ein Jahr in Kanada. Nach meiner Rückkehr war ich zuerst in Arosa tätig, bevor ich meiner Freundin zuliebe wieder nach Zermatt zurückgekehrt bin. Weil es mit der Arbeit nicht mehr so gepasst hat, hat mir mein Schwiegervater angeboten, zusammen mit meiner damaligen Freundin und späteren Frau das Familienhotel zu übernehmen. Anfangs war ich ein bisschen skeptisch, nicht zuletzt deshalb, weil ich keine Kenntnisse im Hotelfach hatte. Nach längerem Überlegen habe ich dann aber doch zugesagt.
Ein guter Entscheid?
Ein sehr guter Entscheid. Mit meiner Frau habe ich das Hotel Bellavista 33 Jahre lang geführt. In dieser Zeit haben wir den Betrieb von einem 2-Sterne-Hotel zu einem der besten 3-Sterne-Häuser in der Schweiz gemacht. Auch wenn es am Anfang nicht so leicht war. Nicht zuletzt deshalb, weil meine deutsche Herkunft für einige Einheimischen ein Problem war. Aber ich habe mich durchgebissen und mich auf meine Stärken konzentriert.
Sie haben im eigenen Hotelbetrieb auch gebacken?
Genau. Mein Backhandwerk war der Schlüssel zum Erfolg. Ich wollte mich gegenüber anderen Betrieben abgrenzen und habe selber Buttergipfel gemacht, Laugen- und Milchweggli hergestellt, aber auch Brioches, Kuchen oder sonstiges Gebäck. Die Liebe zum Handwerk hat sich bei den Gästen bezahlt gemacht. Anfangs hatten wir ein Tea-Room, in dem wir die selbst gemachten Backwaren angeboten haben. Später haben wir das Tea-Room aber geschlossen, weil es sich nicht mit dem eigentlichen Hotelbetrieb vereinbaren liess. Ich war aber nicht nur Gastgeber und Bäcker, sondern auch Portier, Koch, Gärtner und Hausmeister.
Sie waren 33 Jahre als Hotelier tätig. Wie hat sich die Gästeklientel in Zermatt entwickelt?
Wir hatten schon in den 1980er-Jahren ein sehr internationales Publikum. Allerdings hatten wir im Sommer mehr Touristen als im Winter. Das hat sich inzwischen geändert. Zudem hatten wir weniger Wochenend-Gäste, sondern solche, die bis zu vier Wochen am Stück geblieben sind. Daraus haben sich viele gute Freundschaften entwickelt.
Inzwischen haben Ihre Töchter den Betrieb übernommen und Sie tingeln durch die ganze Welt, um Ihr Fachwissen im Backbereich an andere Betriebe weiterzugeben. Erzählen Sie…
Reisen und andere Kulturen kennenzulernen hat mich immer schon gereizt. Dazu kommt, dass ich nach meiner Pensionierung nicht auf der faulen Haut liegen und mein Fachwissen weitergeben wollte. Darum habe ich mich bei Swisscontact gemeldet, einer Stiftung für internationale Entwicklungszusammenarbeit, um meine beruflichen Kenntnisse anzubieten. Schon kurze Zeit später bekam ich die Einladung, im Kosovo anzupacken und meine Berufserfahrung einzubringen.
Wie waren die ersten Erfahrungen?
Schlecht, es war ein totaler Reinfall. Ganz einfach darum, weil meine Vorstellungen und die Erwartungen vor Ort nicht übereingestimmt haben. Ich sollte in einer grossen Fabrik mithelfen, ein Brot herzustellen, das mindestens 20 Tage haltbar sein sollte. Da musste ich leider passen. Schliesslich wurde ich dann in einen kleineren Betrieb versetzt, wo alle Backwaren von Hand hergestellt werden. Das hat dann gepasst.
Inzwischen sind Sie schon seit drei Jahren für das Programm von Swisscontact und die Organisation SES tätig und haben verschiedene Länder besucht. Was haben Sie auf Ihren Reisen angetroffen?
Ich war schon im Kosovo, in Kasachstan, Peru, Armenien, Albanien, in der Mongolei und in Nepal. Allein die Infrastruktur in den Backstuben ist nicht mit hiesigen Verhältnissen zu vergleichen. An den meisten Orten gibt es eine Rühr- und Teigmaschine und, wenn ich Glück habe, einen elektrischen Ofen. Im Kosovo beispielsweise hatte es nur einen Holzofen, obwohl die Backstube neu gebaut worden war. Auf Nachfrage sagte man mir, dass man mit Holz unabhängiger sei als mit Elektrizität, weil man in der Region nie wisse, wann der Strom ausfällt. Allerdings ist ein Holzofen immer ein bisschen eine Lotterie, weil man die Temperatur nicht im Griff hat.
Wie kreativ können Sie sich bei Ihrer Arbeit im Ausland einbringen?
Schwierig, nicht zuletzt deshalb, weil die Mittel relativ beschränkt sind. An vielen Orten steht nur eine Sorte Mehl zur Verfügung. Zudem gibt es auch nicht viele Materialien. In Kasachstan beispielsweise hatten wir keinen Schneebesen und keine Schüsseln zur Verfügung. Es gibt nur alte Kochgeschirre, in denen der Teig hergestellt wird. Natürlich versuche ich, den Mitarbeitenden einfache Backrezepte weiterzugeben.
Wie verbringen Sie die Zeit, wenn Sie nicht gerade am Arbeiten sind?
Ich bin sehr kulturinteressiert und verbringe meine freie Zeit auf der Suche nach kulturellen Schätzen des Landes. Oder ich spaziere viel. Auch das Einkaufen darf nicht fehlen. In Kasachstan beispielsweise hatte ich keine Lust, zweimal am Tag Pferdefleisch zu essen, also kaufte ich mir ein paar Habseligkeiten wie Brot, Butter, Käse und Tomaten. Und am Wochenende nehmen sich einige Besitzer der Backstuben auch Zeit, um mir die Region zu zeigen.
Fremde Kulturen und fremde Länder – sind Sie noch nie in eine brenzlige Situation geraten?
Diese Länder sind viel sicherer, als wir glauben. Ich hatte noch nie ein Problem und fühle mich sehr sicher. Die Leute sind freundlich und sehr dankbar und offen für alles. Sie sind auch sehr interessiert, wie wir wohnen und leben. Ich fühle mich rundum wohl bei meiner Arbeit im Ausland. Mir gehts gut und ich will mein Wissen weitervermitteln. Das ist meine Motivation, mich auf solche Abenteuer einzulassen.
Wir reden in diesem Zusammenhang viel von Armut, es gibt aber auch die andere, die reiche Seite, die Sie auf Ihren Reisen kennenlernen…
Genau, dieses Jahr war ich in einem Luxushotel in Kasachstan, genauer noch in Schymkent. Das Hotel beinhaltet eine eigene Bäckerei und Konditorei. Die haben schon ein sehr gutes Angebot für ihre Kundschaft, wollten aber ihr Sortiment noch erweitern. Blätterteig beispielsweise haben sie nicht gekannt. Also habe ich ihnen beigebracht, wie man Blätterteig herstellt. Auch die Arbeitsbedingungen in diesem Hotel sind gut. Kein Vergleich zu den einfachen Bäckereien, in denen ich vorher gearbeitet habe.
Sie haben auch in Peru gearbeitet. Wie unterschiedlich sind hier die Arbeitsbedingungen im Vergleich mit Kasachstan?
Ich war in Peru auf einer Höhe von 4500 m ü. M. Das ist schon sehr speziell, aber ich war verwundert, wie gut ich mit den klimatischen Bedingungen klargekommen bin. Die Backöfen wurden mit Strom betrieben und in der Backstube war es schön warm. Dies im Vergleich zu den Häusern, die trotz Kälte, bei meinem Aufenthalt im Oktober war es um die null Grad, nicht beheizt wurden. Ich konnte froh sein, war in meiner Unterkunft wenigstens ein kleiner Ofen, damit ich nicht frieren musste.
Was nehmen Sie jeweils mit von Ihren Auslandsaufenthalten?
Vor allem die kulturellen Eindrücke und die Freundlichkeit der Menschen. Und ich bin immer wieder überrascht, mit was für einfachen Mitteln die Leute über die Runden kommen. Im Schnitt bekommt ein Arbeiter in diesen Ländern 170 Euro im Monat. Da wird man fast demütig. Wenn ich dann zurück in die Schweiz komme und den überschwänglichen Konsum sehe, habe ich Mühe damit. Mir ist es auch immer ein Anliegen, die Arbeiter vor Ort zu überzeugen, dass sie im Land bleiben und das Gelernte umsetzen. Und ich stelle immer wieder fest, dass vor allem bei jungen Leuten die Bereitschaft da ist, im eigenen Land etwas zu bewirken.
Wie gastfreundlich sind die Menschen in den verschiedenen Ländern?
Ich habe durchwegs gute Erfahrungen gemacht. Ob in der Mongolei, in Nepal oder in Peru – ich wurde überall freundlich empfangen. Ich muss dazu sagen, dass ich überhaupt keine Berührungsängste habe und auf die Menschen zugehe. Das hilft mir, Vorurteile abzubauen. Ich wurde auch schon an verschiedene Feste eingeladen, zum Beispiel in Schymkent an einen hohen Feiertag der Muslime. Hier wurden auf offener Strasse sechs Kühe geschlachtet und das Fleisch später an Bedürftige verteilt oder direkt vor Ort gegessen. Der Anblick der Kühe, die am Ausbluten sind, ist für einen Europäer allerdings gewöhnungsbedürftig. An einem anderen Ort in Kasachstan konnte ich im April am Neujahrsfest teilnehmen. Auf meine Frage, warum im April das Neujahrsfest gefeiert wird, sagte man mir, dass es im Winter zu kalt dafür sei. Es war ein wunderbares Fest mit Trachten, Musik und Tanz. Dabei wurden viele Spezialitäten der Region aufgetischt, dass sich die Tische gebogen haben. Dieses Fest wird mir immer in guter Erinnerung bleiben.
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