Interview | Angelica Brunner, Direktorin von Valrando
«Schmale Wanderwege im Wald sind für Biker tabu»
Angelica Brunner ist seit 14 Jahren die Direktorin von Valrando. Im Interview spricht sie über den Zustand der Walliser Wanderwege, über die Konflikte mit Bikern und das Image ihres Vereins.
Angelica Brunner, der vergangene Winter war ungewöhnlich schneereich. Entsprechend ist auch an den Wanderwegen im Kanton einiges an Schäden entstanden. In welchem Zustand präsentieren sich die Wege nun ein paar Monate später?
Die meisten Schäden, die am Wanderwegenetz entstanden sind, wurden von den Gemeinden, den Forstrevieren und den Tourismusorganisationen, aber auch durch die Hilfe von freiwilligen Helfern inzwischen wieder repariert. Klar, einzelne Abschnitte sind noch nicht wieder instand gestellt, bei dem grossen Arbeitsvolumen, das der letzte Winter verursacht hat, ist dies aber auch nicht verwunderlich. Ich bin daher sehr zufrieden damit, wie in den letzten Wochen und Monaten an den Walliser Wanderwegen gearbeitet wurde.
Die Gemeinden kommen ihrer gesetzlichen Unterhaltspflicht bei den Wanderwegen also gut nach?
Grundsätzlich kann ich das bejahen. Aber man merkt schon, dass es in einigen Gemeindekassen an Geld fehlt, um ständig in das Wanderwegenetz zu investieren. Auch die Subventionen durch den Kanton wurden stark zurückgefahren. Das hat natürlich Auswirkungen darauf, wie gut die Wanderwege unterhalten werden können. Was ich feststelle ist, dass es deutliche Unterschiede zwischen den Gemeinden gibt, wie in die Wege investiert wird, unabhängig davon, ob viel oder wenig Geld zur Verfügung steht. Einige Kommunen investieren sehr regelmässig, bei anderen wird einmal ein grösserer Betrag in die Wanderwege gesteckt und dann passiert einige Jahre sehr wenig. Wir von Valrando beraten die Gemeinden daher, wie sie mit den zur Verfügung stehenden Mitteln den grössten Effekt erzielen können, da in der Tat die Mittel derzeit knapp sind. Deshalb stimmt es mich positiv, dass es auf kantonaler Ebene Bestrebungen gibt, wieder mehr Geld für die Freizeitwege zur Verfügung zu stellen. Davon würden natürlich auch die Wanderwege profitieren.
Aber auch die Infrastruktur für Biker. Die zunehmende Koexistenz von Bikern und Wanderern sorgt immer wieder für Zündstoff. Wie stehen Sie als Vertreterin der Wanderer zum Thema Mountainbiker auf Wanderwegen?
Ganz allgemein möchte ich festhalten, dass ich der Überzeugung bin, dass Biken eine wichtige Rolle in unserer touristischen Zukunft spielt. Was die Koexistenz von Bikern und Wanderern auf Wanderwegen betrifft, so erlaubt das Gesetz diese, sofern keine Gefahr besteht. Allerdings gilt dies nur für Wege ausserhalb des Waldes. Gemäss der Waldverordnung dürfen Biker im Wald nur auf solchen Wegen fahren, die auch von Fahrzeugen befahren werden können, also Forststrassen. Schmale Wanderwege im Wald sind für Biker tabu. Ich plädiere, was die Benutzung von Wanderwegen durch Biker und Wanderer betrifft, grundsätzlich für gegenseitige Rücksichtnahme. Biker sollten sich bewusst sein, dass der Wanderer dabei der «Schwächere» ist. Solange für Leute, die zu Fuss unterwegs sind, was auch für Kinder gelten muss, keine Gefahr besteht, sind wir gegenüber Mountainbikern vollkommen offen. Leider ist diese Sicherheit aber nicht immer gegeben.
Was heisst das?
Ein kleiner Prozentsatz der Biker verhält sich leider sehr rücksichtslos. Diese Leute sind es denn auch, die den Ruf ihrer Sportart in Wandererkreisen beschädigen. Deshalb sind wir von Valrando dafür, homologierte Wander- und
Bikewege nach Möglichkeit zu entflechten, denn so zu tun, als gäbe es kein Konfliktpotenzial in dieser Angelegenheit, wäre blauäugig. Dieses entsteht für mich auch dadurch, dass ei-
nige Biker ihren Sport nun unzulänglich beherrschen.
Können Sie das ausführen?
Einen Weg hinaufzufahren ist relativ leicht, wenn die Kondition stimmt oder man mit einem E-Mountainbike unterwegs ist. Aber man muss auch wieder runterfahren und hier kommt es dann zu den problematischen Situationen. Ich erlebe oft, dass Biker mit den Abfahrten überfordert sind und so zum Risiko werden.
Gleichzeitig hat man das Gefühl, dass der Kanton und der Tourismus in den Bikern ein Allheilmittel für die unter Druck geratene Tourismusindustrie sehen. Haben Sie das Gefühl, dass die Wanderer vernachlässigt werden?
Ich denke, dass man sich ein bisschen blenden lässt. Biken ist nicht die Lösung unserer touristischen Probleme. Ich bezweifle auch, dass das Biken tatsächlich die Umsätze bringt, die man sich davon verspricht. Man muss aufpassen, dass man die Wanderer nicht verärgert, denn nach wie vor sind diese deutlich in der Überzahl. So geben 44,3 Prozent der Schweizer Bevölkerung Wandern als Hobby an, Mountainbiken nur gerade einmal 6,3 Prozent. Es kann also nicht zielführend sein, um die Bedürfnisse von ein paar Bikern zu befriedigen, während man Dutzende Wanderer vor den Kopf stösst. Diese Gefahr besteht jedoch im Moment. Die touristische Strategie muss daher wieder ausgewogener werden. Denn die Wanderer sind der grössere Wirtschaftsfaktor, als es die Biker sind. Aber es ist nicht so, dass wir von Valrando gegen eine Bikestrategie sind. Für uns ist klar, dass man dieser Entwicklung auch etwas Zeit geben muss, um abschätzen zu können, was es tatsächlich bringt und was nicht. Das sollte auch wissenschaftlich begleitet werden, zum Beispiel durch das Tourismusobservatorium des Kantons. Aber, wenn man dabei merkt, dass man sich in eine ungute Richtung bewegt, so sollte man auch rasch reagieren.
Was wäre denn eine solche ungute Richtung?
Zum Beispiel wenn durch das Biken Kulturgüter in Mitleidenschaft gezogen werden. Wir beobachten, dass zum Beispiel historische Wanderwege, die gepflästert sind, von Bikern nicht wie angenommen gemieden werden. Vielmehr fahren sie dann am Rand entlang, sodass das Bankett des Weges beschädigt wird, mit der Folge, dass das Wasser die teils mehrere hundert Jahre alten Wegstücke unterspült und massiv beschädigen kann. Einen solchen historischen Weg dann wieder instand zu setzen, kostet exorbitant viel, gleichzeitig ist wie gesagt nicht viel Geld vorhanden. Daher sind wir der Meinung, dass man solche historischen Wege mit Bausubstanz für Biker sperren sollte. Es kann nicht sein, dass wir Bauwerke, die Jahrhunderte gehalten haben, innert weniger Jahre zerstören, nur weil wir eine neue Form des Tourismus ein bisschen fördern wollen.
Jahrhunderte ist Ihr Verein Valrando noch nicht alt. Mit 75 Jahren, die Sie dieses Jahr feiern, können Sie aber dennoch auf eine lange Geschichte zurückblicken. Viele halten Valrando denn auch für eine angestaubte Institution, die vor allem aus Rentnerinnen und Rentnern besteht.
(lacht). Das stimmt natürlich ganz und gar nicht. Erstens einmal muss ich sagen, dass wir kein Wanderverein sind. Unsere Hauptaufgabe ist es, uns um sämtliche Aspekte der Langsamverkehrswege zu kümmern. Dazu haben wir auch einen Leistungsauftrag des Kantons. Das heisst, dass wir die Gemeinden und Tourismusorganisationen in Bezug auf die Langsamverkehrsnetze beraten und unterstützen. Das ist natürlich gerade im Wallis eine wichtige Aufgabe. Dann sind wir in dieser Angelegenheit auch eine Schnittstelle zum Bund oder zu unserem Dachverband Schweizer Wanderwege. Dieses «Rentnerimage» mag daher kommen, dass wir für unsere rund 2000 Mitglieder geführte Wandertouren anbieten, die unter der Woche stattfinden. Daher nehmen naturgemäss viele Rentnerinnen und Rentner teil. Allerdings nicht nur, es sind auch immer junge Leute mit dabei. Denn schliesslich erlebt das Wandern, auch bei der jüngeren Zielgruppe, einen regelrechten Hype.
Woran liegt das?
Ich denke, dass viele Menschen vermehrt auf der Suche nach Entschleunigung sind. Wandern bietet diese Möglichkeit, denn es ist ein Sport ohne Wettkampfgedanken. Man kann sein Tempo selbst bestimmen, an wunderschönen Orten verweilen und die Natur geniessen. Zudem kann man praktisch überall wandern und es kostet, ausser ein bisschen Ausrüstung, nichts.
Wenn Sie sich zum Geburtstag etwas für Ihren Verein wünschen könnten, was wäre das?
Ich wünsche mir vor allem, dass unsere Langsamverkehrswege einen grösseren Stellenwert im Bewusstsein der Leute, insbesondere der Politikerinnen und Politiker einnehmen. Oft werden Wanderwege einfach als gegeben wahrgenommen. Das ist aber nicht der Fall. Es braucht viel Arbeit und viel Geld, dass unser tolles Wanderwegnetz so existieren kann, wie es der Fall ist. Deshalb wünsche ich mir, dass nicht die Idee entsteht, dies sei ein Bereich, in dem man ohne Folgen den Rotstift ansetzen könnte.
Martin Meul
Artikel
Kommentare
Noch kein Kommentar