Visp | Frontalinterview mit Valerie Witschard
«Tanzen bedeutet für mich die pure Lebensfreude»
Sie hat es geschafft. Valerie Witschard (30) darf in Deutschland eine dreijährige Tanzausbildung machen. Dies, obwohl dazu bisher bloss «jüngere Tänzerinnen» berücksichtigt wurden. In der RZ spricht sie über Herausforderungen und die Vorfreude auf die nächsten Monate und Jahre. Bereits am Montag erfolgt der Start in Freiburg im Breisgau.
Valerie Witschard, in den vergangenen drei Monaten sind Sie wohl in den Stress gekommen?
Da in meinem Leben meist sehr viel läuft, habe ich die vergangenen Monate nicht als stressig empfunden. Es ist aber so, dass demnächst viel Neues auf mich zukommt. Darauf freue ich mich.
Seit drei Monaten wissen Sie, dass Sie eine dreijährige professionelle Tanzausbildung in Freiburg im Breisgau absolvieren dürfen. Am nächsten Montag gehts los. Sie mussten bestimmt vieles organisieren.
Ich musste neben meinem Arbeitspensum und dem Engagement für meine Tanzwerkstatt «Fame» eine Wohnung in Deutschland suchen und diesbezüglich viel Administration erledigen. Doch das war eine spannende Herausforderung und dies wird es in den nächsten Monaten und Jahren auch bleiben.
Die ersten zwei Jahre lassen Sie sich in Ballett, Jazz und Contemporary ausbilden. Im dritten Jahr folgt die Spezialisierung auf Bühnentanz oder Tanzpädagogik. Auf was spezialisieren Sie sich?
Ich tendiere dazu, dass ich mich als Tanzpädagogin ausbilden lasse. Doch es gilt zu sagen, dass sich dies in zwei Jahren noch ändern kann. Ich lasse es auf mich zukommen. Klar ist, dass ich mein Know-how später in meine Tanzschule einfliessen lassen will.
Es ist äusserst schwierig, einen Platz an der erwähnten Tanzschule in Freiburg zu ergattern. Haben Sie damit gerechnet, dass es klappt?
Ganz ehrlich: Ich habe mir kaum Chancen ausgerechnet. Umso glücklicher bin ich, dass es geklappt hat.
Sie sind 30-jährig. In der Regel werden keine Schüler mehr an der Schule angenommen, die älter sind als 20. Wie haben Sie das geschafft?
Es ist bestimmt so, dass sämtliche Interessierten bereits seit ihrer Kindheit tanzen. Wichtig ist für mich jedoch auch meine allgemeine Fitness. Das Vortanzen dauerte mehrere Stunden. Demnach musste ich körperlich bereit sein. Doch schlussendlich habe ich mir gesagt, dass ich mein Bestes geben will. Natürlich habe ich auch kleine Fehler gemacht, doch es ist mir gelungen, mich immer wieder auf meine Leistung zu konzentrieren und zu fokussieren. Das hat mir geholfen.
In Freiburg besuchen Sie zwischen 8.00 Uhr morgens und 14.00 Uhr nachmittags die Tanzschule. Was machen Sie zwischendurch?
Das ist noch unsicher. Es ist so, dass sämtliche Tanzschüler darüber informiert wurden, dass wir am Nachmittag ein Zeitfenster einplanen sollen, für ein Selbststudium. Doch grundsätzlich will ich offen sein für alles, was kommt. Und: Ich will meine Persönlichkeit weiterentwickeln.
Wo sehen Sie die grösste Herausforderung in den ersten Tagen in einem fremden Land?
Es geht mir primär darum, in meinem neuen Zuhause anzukommen. Meine Mitschüler kennenzulernen und mich einfach rundum wohlzufühlen.
«Spontan habe ich mich für das Vortanzen angemeldet»
Gibt es auch finanzielle Herausforderungen?
Darüber mache ich mir keine Sorgen. In finanzieller Hinsicht besteht für mich ein Plan B und auch ein Plan C und D. Falls nötig, würde ich in den Semesterferien im Wallis arbeiten. Das wäre kein Problem für mich.
Nun verbringen Sie drei Jahre in Süddeutschland. Was wissen Sie über die Stadt Freiburg?
Ich weiss noch nicht so viel über die Stadt, aber der erste Eindruck ist sehr sympathisch, und dass ich eine Wohnung in einer schönen Umgebung und nahe bei der Tanzschule gefunden habe, erleichtert mir den Einstieg bestimmt.
Worauf freuen Sie sich in Deutschland sonst noch?
Wenn ich schon in Freiburg wohne, will ich die Stadt, das Land und die Umgebung auch ein bisschen kennenlernen. Colmar soll wunderschön sein, den Ort will ich auf jeden Fall einmal besuchen. Ich freue mich auf die vielen neuen Dinge, die ich erleben darf.
Die Entscheidung, die dreijährige Ausbildung zu machen, hat Ihr Leben auf den Kopf gestellt. Geplant war das Ganze ja nicht.
Das ist richtig. Schon fast spontan habe ich mich für das Vortanzen angemeldet und erhielt dazu auch ein benötigtes Empfehlungsschreiben. Nachdem ich von meiner Annahme erfahren habe, kündigte ich meinen Job im Oberwallis, ich plante mit meinem Freund unser neues Leben, ich koordinierte mit meinen Tanzlehrerinnen in der Tanzwerkstatt die anstehenden Lektionen. Doch das alles habe ich als spannende Herausforderung gesehen.
Das Tanzen muss Ihnen sehr viel bedeuten, dass Sie all das in Kauf nehmen.
Das tut es. Tanzen bedeutet mir alles. Mir war schnell klar, dass ich diese Chance nie mehr erhalten werde und sie einfach nutzen muss. Ich weiss, dass ich mich richtig entschieden habe.
Was fasziniert Sie denn so sehr am Tanzen?
Wenn ich tanze, dann bin ich total im Hier und Jetzt und vergesse alles um mich. Meine Konzentration ist dann voll und ganz beim Tanz. Zudem ist Tanzen für mich Energie: Seit Jahren unterrichte ich neben meinem Arbeitspensum wöchentlich während 12 bis 14 Stunden in der Tanzwerkstatt und freue mich immer wieder aufs Neue darauf. Tanzen heisst für mich Lebensfreude und ist ein grosses Hobby von mir.
Wie geht es eigentlich mit der Tanzwerkstatt «Fame» nun weiter?
Ich bin glücklich, dass ich auf ein tolles Team und tolle Tanzlehrerinnen zurückgreifen kann. Sämtliche Unterrichtsstunden werden weitergeführt. Das ist mir ein grosses Anliegen.
«Mir war schnell klar, dass diese Chance einmalig ist»
…und das Team freut sich mit Ihnen, dass es in Freiburg geklappt hat.
(lacht) Ja, das stimmt. Da diverse Tanzschüler und Tanzlehrerinnen zwischendurch wissen wollen, wie es mir in Deutschland geht, habe ich auch einen Blog eingerichtet. Hier erzähle ich von meinen Eindrücken und Erfahrungen im Alltag und in der Schule. Zudem poste ich zwischendurch natürlich ein paar Bilder. So halten wir laufend Kontakt. Doch es gilt zu sagen, dass Freiburg ja nicht aus der Welt ist.
Sie besuchten bereits die Alvin Ailey Dance Academy in New York, diverse Workshops in Stuttgart und hatten die Möglichkeit, in Ihrer Kindheit auf eine Tanz-Akademie in Frankreich zu gehen. Was ging damals schief?
Ich hätte mich damals sehr alleine gefühlt und wohl in einem Internat leben müssen. Das wollte ich in einem fremden Land und einer damals für mich fremden Sprache nicht. Zudem ist in dieser Akademie vieles auf Konkurrenzkampf hinausgelaufen. Das war nicht mein Ding. Ich strebe viel mehr nach einem Miteinander als einem Gegeneinander.
Was darf eigentlich in Ihrer neuen Wohnung in Freiburg auf keinen Fall fehlen?
Meine beiden Katzen. Ich freue mich schon jetzt darauf, dass sie da sind, wenn ich nach dem Tanzen nach Hause komme. Für mich war stets klar, dass ich sie nie abgegeben hätte.
Was werden Sie vom Wallis am meisten vermissen?
Natürlich meinen Freund, die Familie und die Kollegen sowie «Jack», unseren Hund. Und alle Mitwirkenden der Tanzwerkstatt. Und bestimmt auch die Walliser Bergwelt.
Simon Kalbermatten
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