Interview | CVP-Ständerat Beat Rieder im Fokus
«Wir müssen dem Tourismus massiv unter die Arme greifen»
Was sagt er zu den Umfrageprognosen vor der Wahl, wie steht er zum Klimaschutz und was sagt er zum EU-Rahmenvertrag? Der amtierende CVP-Ständerat Beat Rieder (56) nimmt Stellung.
Beat Rieder, die Negativ-Wahlkampagne der CVP Schweiz hat Ihrer Partei heftige Kritik eingebracht. Wie beurteilen Sie diese Kampagne?
Das war kein geschickter Schachzug und schlecht gemacht. Ich persönlich habe auch nie eine Kampagne gegen einen politischen Gegner geführt, sondern immer Politik für das Wallis in den Vordergrund gestellt. Aber es ist natürlich heuchlerisch, jetzt die CVP aufgrund dieser Kampagne anzugreifen. Unsere Partei und unsere Kandidaten werden seit Jahren im Wallis jeden Tag attackiert und unsere Wahlplakate werden genauso beschmiert wie die von anderen Parteien. Darum kann ich die heftigen Reaktionen einiger Leute nicht nachvollziehen.
Die Umfragewerte vor den Wahlen verheissen Ihrer Partei nichts Gutes. Gemäss einer Umfrage der Mengis Medien verliert die CVP Wallis einen Nationalratssitz. Machen Sie solche Umfragewerte nervös?
Solche Umfragen sind eine punktuelle Aufnahme mit einer reduzierten Aussagekraft. Aber sie sollten jeden einzelnen Politiker anspornen, sich noch mehr ins Zeug zu legen. Zumindest bei mir ist das der Fall. Was man dabei nicht vergessen darf – dass 50 Prozent aller Wählerinnen und Wähler nicht an die Urne gehen. Genau diese Leute gilt es zu mobilisieren.
Aufgrund der Umfragewerte soll der verlorene CVP-Nationalratssitz an die Grünen gehen, die mit der Klimapolitik punkten. Auch die CVP schmückt sich mit den Federn der Energiewende. Hat sich Ihre Partei dieses schlagkräftige Thema bewusst vor den Wahlen angeeignet?
Überhaupt nicht. Die CVP setzt sich schon seit den 1970er-Jahren stark für den Umweltschutz ein. Die CVP hat das Umweltschutzgesetz sogar angestossen. Bei allen massgebenden Gesetzen hatte unsere Partei eine Vorreiterrolle. Wir drehen uns nicht nach dem Wind wie andere Parteien und haben diesbezüglich immer eine konstante Politik mit Lösungen gemacht.
Das heisst, es bleibt nicht bloss bei Lippenbekenntnissen, was den Klimaschutz angeht?
Der Klimaschutz ist seit vielen Jahren ein wichtiges Thema für mich. Schliesslich haben wir in den Bergregionen die ersten Folgen des Klimawandels bereits jetzt zu bewältigen. Jede Stützung der Wasserkraft ist der beste Klimaschutz in der Schweiz und da habe ich in den letzten vier Jahren einiges gemacht. Zudem habe ich verschiedene Motionen eingereicht, was die Versorgungssicherheit mit Energie und das Wassermanagement angeht. Wasser wird das Thema der nächsten Jahrzehnte sein.
Während Ihrer Partei eine Talfahrt droht, sind Ihre Umfragewerte sehr gut. Demzufolge liegen Sie weit voraus und kommen auf rund 43 Prozent der Stimmen. Ein beruhigendes Polster?
Natürlich schmeicheln mir diese Werte, aber ich werde dadurch an meinem Wahlprogramm nichts ändern. Kein Ständeratskandidat kann sich seiner Sache sicher sein. Schon gar nicht in einem zweisprachigen politisierten Kanton wie dem Wallis.
Sie sind nicht nur im CVP-Lager beliebt, sondern auch viele SVP-Wähler geben Ihnen aufgrund der Umfrage die Stimme. Ist das Ihrer Politik geschuldet?
Meine Politik ist rechtsbürgerlich. Dass ich Stimmen aus dem rechten Lager erhalte, hat damit zu tun, dass ich vor allem das Verhältnis zwischen der Schweiz und der EU und insbesondere den Rahmenvertrag kritisch betrachte. Auch das Thema Jagdgesetz und Wolf hat mir diesbezüglich sicher Sympathiepunkte eingebracht. Zudem bin ich in der Migrationspolitik (zu unterscheiden vom Asylanspruch!) für eine harte Linie.
Trotzdem beanstanden die Links-Parteien, dass Sie zu rechts politisieren.
Das ist eine einseitige Sicht. Ich habe in ebenso vielen Themen entscheidend dazu beigetragen, dass sich soziale Anliegen durchgesetzt haben. Für mich kommt z. B. ein höheres Rentenalter nur infrage bei gleichzeitigem Ausbau des Kündigungsschutzes für ältere Mitarbeiter. Mein Ziel ist es in erster Linie, die Interessen der Walliserinnen und Walliser in Bern zu vertreten.
Ihr FDP-Kontrahent Philippe Nantermod scheint kein Freund des Oberwallis zu sein. Im Vorfeld der Wahlen moniert er, das Oberwallis sei in Bern übervertreten. Wie werten Sie diese Aussage?
Das gehört zum Wahlkampf. Ich würde so etwas nie sagen. Jede Stimme, egal ob aus dem Ober- oder Unterwallis, ist für mich wichtig. Ich komme aus einem kleinen Seitental und da reicht es nicht, nur das Oberwallis oder nur die Berggemeinden zu vertreten. Darum können solche Aussagen wie die von Philippe Nantermod nur von jemandem kommen, der eine quere Sicht auf unseren Kanton hat. Ein Bergler wie ich kann so etwas gar nicht machen. Ich vertrete als Ständerat einen ganzen Kanton, das Ober- und Unterwallis, die Tal- und Bergbevölkerung und setze mich auch entsprechend dafür ein. Ob das auch ein Politiker macht, der mit solchen Parolen in den Wahlkampf steigt, wage ich zu
bezweifeln.
Der zweite Walliser CVP-Ständeratssitz scheint in Gefahr. Was trauen Sie Ihrer Parteikollegin Marianne Maret zu?
Marianne Maret bringt die Qualität und Fähigkeit mit, dieses Amt auszuüben. Es ist sehr wichtig, dass das Wallis gerade im Ständerat mit einer Partei vertreten ist. Viele Abstimmungen sind sehr eng. Darum ist es wichtig, dass man in der CVP-Ständeratsfraktion als grösster Fraktion ein Übergewicht der Gebirgsvertreter hat, was wiederum die Bergpolitik positiv beeinflusst. Ein Beispiel: Weil zwei Drittel der CVP-Fraktion aus den Gebirgskantonen kommen, wurde die Senkung der Wasserzinsen abgelehnt. Wenn nun ein anderer Walliser Ständerat aufgrund seiner Parteizugehörigkeit eine andere Position einnimmt, dann schwächt das den Kanton Wallis. Darum ist es ein grosser Vorteil, wenn das Wallis eine einheitliche Standesstimme hat. Es gibt nur wenige Kantone, die diesen Vorteil wie das Wallis haben. Und diese Kantone nutzen das zu ihren Gunsten.
Reden wir über den EU-Rahmenvertrag. Im Vorfeld haben Sie immer wieder betont, dass es ein schlechter Vertrag sei und man diese Übung abbrechen müsse. Sind die Folgen absehbar?
Der Vertrag ist schlicht und einfach schlecht verhandelt und nicht mehrheitsfähig. Das heisst, wenn wir den EU-Rahmenvertrag in seiner heutigen Form vors Volk bringen, dann wird er abgelehnt. Ganz einfach darum, weil es unklar ist, ob es staatliche Beihilfen geben darf. Zudem ist unklar, ob ein EU-Bürger Zugang zu allen Schweizer Sozialsystemen bekommen soll, und auch der fehlende Lohnschutz ist ein Dauerbrenner. Das Schiedsgerichtsverfahren ist einseitig und in dieser Form keinesfalls zu akzeptieren. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als neu zu verhandeln.
Bleibt die Frage: Wie kommen wir aus dieser Sackgasse heraus?
Das wird nicht einfach. Dass es überhaupt so weit kommen konnte, haben wir der vergangenen verfehlten Verhandlungsstrategie der zuständigen Bundesräte zu verdanken. Wir haben uns von der EU in diese Sackgasse treiben lassen. Der damalige Bundesrat und die ganzen Diplomaten waren nicht imstande, die für die Schweiz kniffligen Punkte in diesem Vertrag zu klären. Erst die Parteien haben den Bundesrat darauf hingewiesen. Also bleibt uns jetzt nichts anderes übrig, als cool zu bleiben wie bei der Börsenäquivalenz, die bestehenden Verträge wie das Freihandelsabkommen einzuhalten und den Rahmenvertrag neu auszuhandeln.
Just in der vergangenen Woche wurden die neuen Zahlen für die Krankenkassenprämien bekannt. Die gute Nachricht: Die Prämien steigen im Wallis moderat. Die schlechte: Die hohen Prämien belasten viele Haushalte. Wie kann man hier die Kostensparbremse anziehen?
Ich möchte vorausschicken, dass ich eigentlich kein Gesundheitspolitiker bin. Aber die Kostenbremseninitiative der CVP ist eine gute Lösung. Zudem habe ich einen Vorstoss eingegeben, dass man keinen Einsitz in eine Kommission nehmen kann, wenn man bezahlte Mandate in diesem Bereich innehat. Wir haben zwei Gesundheitskommissionen im National- und Ständerat mit 94 Mandaten, die durch ihre Interessenvertretungen komplett blockiert sind. Dadurch kann auch nicht eine zielgerichtete Lösung gefunden werden, um die Explosion der Gesundheitskosten zu stoppen. Darum hoffe ich, dass meine parlamentarische Initiative auch im Nationalrat angenommen wird, damit gewisse Lobbyisten aus diesen Kommissionen zurücktreten.
Wo setzen Sie die Schwerpunkte Ihrer politischen Arbeit in Bern, wenn Sie wiedergewählt werden?
Die Energie- und Stromversorgung wird hochbrisant. Hier sehe ich das grösste Abhängigkeitsverhältnis mit der EU. Wenn wir uns im Energiebereich weiter so entwickeln, sind wir auf grosse Stromimporte angewiesen. Sonst fahren wir die Wirtschaft gegen die Wand. Darum sind das Stromabkommen und die sofortige Erhöhung der einheimischen Produktion in allen Bereichen sehr wichtig. Zudem wird unser Verhältnis zur EU in den nächsten Jahren matchentscheidend. Als neues Mitglied der aussenpolitischen Kommission werde ich meinen Standpunkt einbringen. Dazu kommt der Tourismus, der im Vergleich mit unseren Konkurrenten infrastrukturell hinterherhinkt. Darum müssen wir dem Tourismus massiv unter die Arme greifen, damit wir mit gleich langen Spiessen gegen die Konkurrenz antreten können. Hier ist ein Infrastrukturfonds notwendig, den ich unterstützen werde. Aber es braucht Allianzen, damit auch andere Wirtschaftszweige davon profitieren können. Sonst wird es schwierig, mit diesem Anliegen im Parlament auf Gehör zu stossen.
Walter Bellwald
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