Baltschieder/Visp | Unübersichtliche Situation in der Quecksilber-Affäre
Definitionsprobleme in der Quecksilber-Affäre
Die Situation um die Sanierungen in der Quecksilber-Affäre ist derzeit recht unübersichtlich. Dies weil die entsprechende Verordnung nur an der Oberfläche kratzt.
Vor zwei Wochen teilte die Dienststelle für Umweltschutz DUS die neuesten Entwicklungen in Sachen Quecksilber mit. Haupterkenntnis dabei: Die Belastung der Böden reicht weiter in die Tiefe als bisher angenommen. «Dies ist darauf zurückzuführen, dass in der Vergangenheit mit belastetem Material ehemalige Gruben verfüllt oder Terrainaufschüttungen vorgenommen wurden», schreibt die DUS als Begründung.
Was ist Boden, was Untergrund?
Das hat Konsequenzen für das weitere Vorgehen. «Bevor im Siedlungsgebiet mit den Sanierungen begonnen werden kann, müssen die Sanierungsziele hinsichtlich der betroffenen Schutzgüter Boden und Grundwasser festgelegt werden», so die Dienststelle für Umweltschutz weiter. Knackpunkt dabei sind die Vorgaben der Altlasten-Verordnung. So gilt in den Böden des Siedlungsgebietes laut Verordnung ein Sanierungswert von 2 Milligramm Quecksilber pro Kilogramm Erde (mg Hg/kg). «Als Boden gilt jedoch nur die oberste, unversiegelte Erdschicht, in der Pflanzen wachsen können. Die darunterliegenden Schichten werden als Untergrund bezeichnet», heisst es seitens der Dienststelle für Umweltschutz. «Die exakte Abgrenzung zwischen ‹Boden› und ‹Untergrund› muss noch festgelegt werden. Diese Unklarheit hat derweil Auswirkungen auf die geplanten Sanierungsarbeiten. In einem ersten Schritt soll Lonza nun entsprechende Sanierungsprojekte ausarbeiten. Diese sollen anschliessend von der DUS geprüft werden, zudem können die betroffenen Bodenbesitzer Stellung dazu beziehen. «Eine rechtskräftige Sanierungsverfügung oder eine Sanierungsvereinbarung ist in der Regel Voraussetzung für den Beginn der Sanierungsarbeiten», teilt die DUS mit. Wann dies allerdings so weit sein wird, steht in den Sternen, denn «der Zeitpunkt des Verfahrensabschlusses kann wegen der genannten Unwägbarkeiten noch nicht näher bestimmt werden», halten die kantonalen Umweltschützer fest.
Löchrige Verordnung
Unter den angesprochenen Unwägbarkeiten ist die Definition der Stärke des «Bodens» zu verstehen. Deutlich wird dies an einem Beispiel aus Baltschieder. Im Gewerbegebiet soll eine neue Lagerhalle entstehen. Da für den Bau Boden ausgehoben werden muss, wurde dieser auf Quecksilber hin untersucht. «Die Messungen zeigten, dass der Boden mit etwas mehr als 2 mg Hg/kg belastet ist», sagt der zuständige Gemeinderat René Abgottspon. «Die Belastung findet sich in einer Tiefe von rund 80 Zentimetern und das ist genau das Problem.» Denn nach Altlasten-Verordnung geht der «Boden» nur bis 40 Zentimeter Tiefe. Die Tiefe von 80 Zentimetern gilt als Untergrund. «Der Verursacher einer Verschmutzung kann gemäss der jetzigen Verordnung aber nur in die Sanierungspflicht genommen werden, wenn der ‹Boden› verschmutzt ist», erklärt Abgottspon. «In unserem Fall ist also nicht klar, wer für die Sanierung zuständig ist, obwohl der Grenzwert von 2 mg Hg/kg überschritten wurde.» Für den angesprochenen Fall hat sich die Gemeinde Baltschieder nun mit Lonza bilateral geeinigt. «Damit das Bauvorhaben realisiert werden kann, haben wir mit Lonza ausgehandelt, dass sie die Sanierung vorfinanzieren wird, obwohl sie nach Verordnung nicht dazu verpflichtet wäre, selbst wenn Lonza als Verursacher der Verschmutzung fest stünde, was sie aber derzeit ja nicht tut», sagt Gemeinderat René Abgottspon. «Es handelt sich um eine Geste des guten Willens seitens Lonza.» Unklar ist zudem wie weit die Sanierungen gehen sollen. «Ab einem Wert von 2 mg
Hg/kg oder tiefer gelten die Böden als unbedenklich», sagt Abgottspon. «Allerdings werden Böden zwischen 0,5 und 2 mg Hg/kg in den Kataster der belasteten Standorte eingetragen, was natürlich suboptimal ist.» Schlussendlich sei es eine Geldfrage, wie ob so weit saniert werde, dass der Quecksilberwert unter 0,5 mg HG/kg falle, so der Baltschiedner Gemeinderat. «Ich denke daher nicht, dass Vollsanierungen durch den Verursacher zur Debatte stehen.» Ein Problem, mit dem sich auch andere Bodenbesitzer im Raum zwischen Visp und Niedergesteln wohl noch werden auseinandersetzen müssen.
Kritik an der DUS
Derweil beschäftigt die Gemeinde Baltschieder noch ein anderes Problem. Um bei Neubauten Probleme mit belasteten Standorten auszuschliessen, sollte vorgängig geklärt werden, wie hoch die Quecksilberbelastung ist. «Wir hatten einen Fall, bei dem wir das Baugesuch für ein neues Einfamilienhaus nach Sitten geschickt haben», sagt der für das Bauwesen zuständige Gemeinderat Martin Weyermann. «Daraufhin teilte uns die Dienststelle für Umweltschutz telefonisch mit, dass wir zuerst Beprobungen durchführen müssten.» Weyermann stört sich nicht an der Tatsache, dass Grundstücke beprobt werden sollen. «Das begrüssen wir», sagt er. Weyermann hat vielmehr ein Problem damit, dass die Anweisung der DUS nur mündlich erfolgte. «Es wäre zu begrüssen, wenn die Dienststelle uns die ganze Angelegenheit schriftlich mitteilen würde, damit wir Klarheit darüber hätten, was wo zu unternehmen ist.» So wartet die Gemeinde Baltschieder bis heute auf den schriftlich fixierten Perimeter, in dem bei neuen Bauvorhaben beprobt werden soll. «Eine mündliche Mitteilung scheint uns in dieser Angelegenheit doch etwa wenig», kritisiert Weyermann. Neben der Aufforderung, überhaupt zu beproben, teilte die DUS auch mit, wie dies zu tun sei. «Bei einem Grundstück von 500 m2 ist eine Beprobung in der Tiefe von 40 Zentimetern nötig», so Gemeinderat Weyermann. «Die Kosten dafür gehen zulasten des Bauherrn. Falls die Parzelle allerdings keine Belastung aufweist, werden die Kosten vom Kanton übernommen.» Im Falle des Einfamilienhauses sei dies der Fall gewesen, folglich werde der Kanton zahlen.
Visp beprobt einfach alles
Während man in Baltschieder gerne einen Perimeter hätte, in dem die Beprobungen gemacht werden müssen, setzt die Gemeinde Visp auf einen «Rundumschlag». «Bei jedem neuen Bauvorhaben nehmen wir automatisch eine Beprobung vor», sagt der Visper Gemeindepräsident Niklaus Furger. «Die Tatsache, dass wir so in Gebieten, in denen wir kein Quecksilber vermutet hätten, es aber trotzdem gefunden haben, gibt uns in dieser Praxis Recht.» Auch bei der Finanzierung der Beprobung geht Visp einen eigenen Weg. «Die Gemeinde übernimmt die Kosten der Beprobungen», sagt Furger. Zudem wird Visp schon bald Erfahrungen mit einem Sanierungsprojekt sammeln können. So soll in der Umgebung des Fussballplatzes eine Fläche saniert werden. Allerdings beschränken sich hier die Quecksilberbelastungen auf die oberste Bodenschicht und fallen somit in den Geltungsbereich der Altlasten-Verordnung.
«Niemanden im Stich lassen»
Derweil treibt viel die Besitzer von Böden, in denen eine Quecksilberkonzentration von 0,5 bis 2 mg Hg/kg gemessen wurde und somit ein Eintrag in den Kataster der belasteten Standorte droht, die Frage um, was mit ihren Grundstücken geschehen wird. Hauptsorge: Durch den Eintrag im Kataster könnte das Grundstück massiv an Wert verlieren. Nach dem Gesetz ist der Verursacher nicht verpflichtet, für solche Verschmutzungen zu haften. Derzeit befasst sich eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertretern der Gemeinden, des Kantons, der IG-Quecksilber und Lonza mit diesem Problem. Zwar wurde über die Ergebnisse dieser Arbeitsgruppe Stillschweigen vereinbart. Der Visper Gemeindepräsident Niklaus Furger lässt jedoch durchblicken, dass es eine Lösung für die Betroffenen geben wird. «Wir lassen niemandem im Regen stehen», sagt Furger. «Eine Lösung steht, die Akteure müssen dieser nur noch zustimmen.» Diese Entscheidung soll in den nächsten Wochen fallen. Anschliessend wollen die Verantwortlichen die Öffentlichkeit informieren.
Martin Meul
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Kommentare
lynx - ↑10↓10
Liebe C-Politiker, dies wäre ein Thema, welches Sie sich auf die Fahne stecken könnten.
Sorgen Sie doch endlich dafür, dass klare Richtlinien erlassen werden und die verseuchten Böden saniert werden.
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Frank - ↑4↓4
@lynx: Recht hast du. Das einzige was jedoch unsere C-Politiker im Moment interessiert ist ein Wallis ohne Grossraubtiere, denn der ganze Wohlstand und unsere Zukunft ist deren Meinung nach von ein paar Schafen abhängig.