Kolumne | Diese Woche zum Thema:

Der gläserne Mensch oder der «sanfte» Zwang durch Kontrolle

Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben in der Rhonezeitung.
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Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben in der Rhonezeitung.
Foto: Mengis Media

Quelle: RZ 1

Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger im Wortgefecht.

Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier

Früher sass der gläserne Oberwalliser im Beichtstuhl

Wieder so ein Freysinger Thema mit wenig Bezug zu den in zwei ­Monaten stattfindenden Wahlen. Ein Rückblick kann trotzdem nicht schaden: In den Beichtstühlen von Glis verboten die allmächtigen Pfarrherren den Frauen, mit ihren Männern zu schlafen, solange diese für Karl Dellberg und die Roten stimmen würden.

In meiner Jugend mussten wir täglich zur Messe und alle zwei Wochen zur Beichte gehen. Die Pfarrherren, die im Dunkeln sassen, kannten unsere Sünden. Ausser ­jene, die wir mit schlechtem ­Gewissen nicht beichteten.

Die klerikale Kontrolle war eine Maschine im Kampf gegen sozialen und gesellschaftlichen Fortschritt. Alles gar nicht so lange her und doch für immer vorbei. Heute ­müssen Gemeinden froh sein, wenn ab und zu ein netter Pfarrer aus Afrika oder Indien vorbeischaut. Esoterikerinnen haben die Welt des Weihrauchs übernommen. Im Kalten Krieg legten staatliche und private Cinceras Fichen über alle an, die kritisch waren. Auch im Oberwallis. Papa Bringhen und Co. lassen grüssen. Wer beim kritischen Oberwallis mitmachte, bekam selbst bei weit besserer Qualifikation keine Staatsstelle. So wurden Stefan Niklaus und Peter Seiler mit einem faktischen Berufsverbot belegt. Die Spinne im Netz der Repression und Vetternwirtschaft war der gelbe Hans Wyer selig.

Heute überwachen die politisch und wirtschaftlich Mächtigen all unsere Bewegungen. Google, Amazon, Facebook und Co. wissen oft mehr über uns als wir selbst. Weil unsere Gedächtnisse vergessliche Fälscherwerkstätten sind. ­Algorithmen berechnen, was wir demnächst mit einiger Wahrscheinlichkeit kaufen werden. Und offerieren uns die entsprechenden Produkte.

«Unsere Gedächt­nisse sind Fälscherwerkstätten»

Die USA haben 14 Geheimdienste. Diese kosten pro Jahr 60 Milliarden Dollar. Sie hören jedes Telefongespräch ab und greifen die Inhalte unserer Computer ab. Aber auch die Franzosen, Russen und Chinesen sind keine ­Chorknaben. Der Trost: Überwachungen sind weniger effizient, als uns die Überwacher glauben machen wollen. Immer wieder sprengen Aufständische die Fesseln von Systemen.

In Hongkong rebelliert die ­Jugend, weil sie verhindern will, dass ­Oppositionelle ans repressive Mutterland China ausgeliefert werden. In Moskau verlangen immer mehr Menschen demokratische Wahlen. Und in El Paso mag niemand den rassistischen Oberhetzer Donald Trump, der auch unter Wahnvorstellungen leidet, empfangen.


Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller

Der gläserne Mensch

Transparenz heisst das Modewort der postmodernen Gesellschaft! Der Mensch soll durchsichtig werden, berechenbar, voraussehbar, steuerbar. Nicht zu seinem Wohl, sondern zum Wohl eines übergeordneten Kollektivs, das so breit wie möglich ausgelegt sein muss. Angestrebt wird nicht mehr ein Gleichgewicht zwischen dem Individuum und der ihn umgebenden Gesellschaft, sondern eine Unterordnung des Einzelnen unter eine höhere, planetarische Logik. Dies wird nicht mehr durch den Gebrauch von brutaler Gewalt angestrebt, sondern durch eine schrittweise Eingrenzung der persönlichen Freiheit in ­allen Lebensbereichen.

Der moderne Mensch, der vor langer Zeit das scheinbare Chaos des primitiven Dschungels verlassen hat, wird in einen bewusst gesteuerten Paragrafendschungel versetzt, in dem seine Persönlichkeit im Namen von Gleichheit und Freiheit solchermassen zurechtgestutzt wird, dass die Freiheit vor lauter Gleichmacherei in die Binsen geht. Kritische Stimmen werden als Symptom von geistiger Minderbemittlung – wenn nicht gar Pathologie – gewertet und ausgegrenzt. Religion wird nur toleriert, wenn sie sich dem materialistischen Dogma unterwirft. Gut ist, was die grosse, mit der grossen Kelle manipulierte Mehrheit denkt und tut. Schlecht ist die kritische Infragestellung des globalen Dogmas, die als Blasphemie, Häresie oder Leugnung abgetan wird. Sich in der Illusion der eigenen Objektivität sonnend, sind die modernen Propheten auf dem einen Auge blind und strafen mit dem anderen all jene Lügen, die das aufzeigen, was ihr blindes Auge nicht wahrhaben will. Im Namen der Sicherheit soll sich das Individuum in einem Labyrinth verlieren, wo es sich nur in gewissen Bahnen bewegen kann und der ständigen Überwachung durch ausgeklügelte technologische Mittel ausgesetzt ist.

Immer schneller dreht sich der Mensch im Hamsterrad des Produktionszwangs und vergisst dabei, dass er eigentlich in einem Käfig hockt. Alle Wehrmittel sowie das physische Geld sollen ihm entzogen und seine demokratischen Mitbestimmungsrechte massiv beschnitten werden, damit die Natur auf Kosten der menschlichen Natur gerettet werden kann. Es geht nicht mehr um die Konfrontation von Argumenten, sondern um den Triumph des angeblich Guten über das angeblich Böse um jeden Preis. Der gute Zweck heiligt die zweifelhaften, ihm widersprechenden Mittel. Wer nicht pariert, wird sozial fertig gemacht, damit er die Kreise des wirtschaftsliberalen Neokommunismus nicht stört. Und das alles nennt sich dann auch noch Demokratie.

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Kommentare

  • Thomas und Liliane Wenger, Ried-Mörel - 10

    Die Verbreitung dieser Berichte und Zeilen mit Vernichtung von Papier ist in etwa der gleiche ökologische Blödsinn, wie für 30 Franken mit Flug in Londen ein Kaffee zu trinken.

    Da frägt sich halt schon an welchem die Vernunft vorbei geht? An den Berichterstattern, der Plattform, welchen solche Berichte zulässt oder der Leser?

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