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Die Heinzelmännchen im Tunnel
Mit bis zu 180 Stundenkilometern rasen die Züge durch den Lötschberg-Basistunnel. Die Geleise sind entsprechend wartungsintensiv. Darum wird der Tunnel am Sonntagabend jeweils gesperrt.
Bis zur Fertigstellung des Gotthard-Basistunnels ist der 34 Kilometer lange Lötschberg-Basistunnel der drittlängste Tunnel der Welt. Einschliesslich aller Zugangsstollen, der Querverbindungen (alle 333 Meter) und den sich im Rohbau belassenen Abschnitten der Weströhre sowie einer Verbindung nach Steg unterhalten BLS-Mitarbeiter jedoch ein Netz von 92 Kilometern. Kein Wunder, muss sich jeder, der den Tunnel oder einen Zugangsstollen betritt, erst anmelden. Es wird genau registriert, wer wo was macht. Denn einen womöglich verunglückten oder plötzlich erkrankten Mitarbeiter in dem riesigen Labyrinth wiederzufinden, wäre schwierig. «Wer alleine im Tunnel unterwegs sein muss, erhält jede halbe Stunde einen Kontrollanruf», erklärt Marcel Borter, Bau- und Unterhaltskoordinator für den LBT. «Wenn wir uns dann nicht melden, würde sofort die Feuerwehr aufgeboten, um dort nach uns zu suchen, wo wir uns zuletzt aufgehalten haben.»
Sonntagabend wird gesperrt
Sonntags, sobald der IC 1088, der um 21.20 Uhr in Brig Richtung Bern und Basel als letzter Zug den Basistunnel bei Frutigen verlassen hat, wird der Tunnel für den Bahnverkehr gesperrt. Im Erhaltungszentrum von Frutigen wartet bereits der dreiteilige Bauzug darauf, in den Tunnel einzufahren. Was gerade gemacht werden muss, wird oft bereits Monate im Voraus geplant. «Wir planen bereits die Wartungsarbeiten von 2016», erzählt Borter. Auch wenn es immer wieder vorkommt, dass unvorhergesehene Arbeiten ausgeführt werden müssen, so werden andere Arbeiten in regelmässigen Abständen durchgeführt. Weichen müssen etwa alle vier Wochen mit Ultraschall kontrolliert, Wasserleitungen alle zwei Wochen gespült, und die Fahrbahn abschnittweise jeden Monat gereinigt werden. Diese Wartungsarbeiten bei laufendem Fahrbetrieb durchzuführen, wie dies im Scheiteltunnel zwischen Goppenstein und Kandersteg gemacht wird, wäre im Basistunnel unmöglich. «Hier gilt entweder fahren oder erhalten», betont Borter. Nicht nur, weil zwei Drittel des Tunnels nur eingleisig ausgebaut wurde, sondern vor allem aufgrund der hohen Geschwindigkeiten. Für bis zu 250 Stundenkilometer ist der Tunnel ausgelegt, gegenwärtig fahren Reisezüge aber mit nur 200 km/h, Güterzüge mit 120 km/h.
Wartungsintensive Weichen
Wartungsintensiv sind vor allem die Weichen. Im LBT gibt es deren drei, wobei die südlichste von ihnen 180 Meter lang ist und mit 180 Stundenkilometern befahren werden kann. «Dies wird unter anderem dadurch ermöglicht, dass das Herzstück der Weiche beweglich ist», erklärt Reinhold Jaggi. Er gehört zu denen, die sich die Weichen regelmässig ansehen. «Sogenannte Rollkontakt-Ermüdungsbrüche können von blossem Auge erkannt werden, sehen aus wie Fischschuppen auf der Schienenoberkante und erfordern ein regelmässiges Schleifen.» Kontrolliert wird aber auch mit einem Lineal, mithilfe eines Spurmessgeräts, eines Ultraschallmessgeräts und schliesslich halbjährlich mit einem Messzug. Der Signaldienst inspiziert ausserdem vierteljährlich die bis zu elf Antriebe, mit denen eine Weiche eingestellt wird. Jeweils im Frühjahr und im Herbst wird zudem eine verlängerte Weichen-Nacht eingelegt. «Dann wird der Tunnel bereits in der Nacht von Samstag auf Sonntag gesperrt, damit wir wenn nötig auch Teile auswechseln können», erklärt Borter.
14 Kilometer im Rohbau
Ein rund 14 Kilometer langer Abschnitt im Tunnel befindet sich jedoch noch im Rohbau. Kurz vor Frutigen sind sieben Kilometer noch gar nicht ausgebrochen worden. Die Kapazität des Tunnels wird daher massiv eingeschränkt, weshalb Politiker und auch die BLS selbst nicht müde werden, immer wieder den Vollausbau zu fordern, zumal auch der Rohbau-Tunnel gewartet werden muss. Borter erzählt, dass an manchen, geologisch schwierigen Stellen sogar schon nachgebohrt werden musste, weil sich der Fels bewegt. Besonders heikle Stellen werden regelmässig vermessen. Stellenweise ist der Rohbau-Tunnel auch mit speziellen Alufolien ausgekleidet, da dort Wasser eindringt. Solange die Weströhre allerdings noch nicht für den Bahnverkehr ausgebaut ist, werden immerhin die Wartungsarbeiten erleichtert. Denn dadurch ist es möglich, weite Teile des Tunnels auf Pneufahrzeugen zu erreichen. Der Zugangsstollen bei Goppenstein kann sogar mit Postautos befahren werden – um womöglich Passagiere, die sich in der Nothaltestelle Ferden befinden, aus dem Tunnel zu evakuieren.
Christian Zufferey
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