Kolumne | Diese Woche zum Thema:
«Erdogan und seine Personenfreizügigkeit am Bosporus»
Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger im Wortgefecht.
Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier
Wer Kriege verloren hat, muss diese beenden
Der Westen hat überall im Nahen und Mittleren Osten Kriege vom Zaun gerissen: Afghanistan, Irak, Libyen und Syrien. Immerhin will sich Trump nach 18 Jahren Krieg jetzt mit den Taliban einigen. Eine brutale Niederlage für die technisch beste Armee der Welt, die diesen Krieg verloren hat.
Während des Arabischen Frühlings unterstützten vorab die USA und Frankreich islamistische Rebellen im Kampf gegen den Diktator Assad. Sie waren sich sicher, dass dieser – wie zuvor Gaddafi – tot in einem Erdloch enden würde. Sie hatten sich geirrt. Putin unterstützte Assad. Und gemeinsam mit den Kurden besiegten sie – und niemand sonst – den IS. Und jetzt überrollen die Panzer von Putin und Assad die letzten von Islamisten kontrollierten Gebiete. Und alle lassen die Kurden im Stich.
Im Verlaufe der bisherigen Kämpfe sind vier Millionen Menschen in die Türkei geflüchtet. Und eine Million in den Libanon. Die Zustände in vielen Flüchtlingslagern spotten jeder Beschreibung. Das vier Jahre alte Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei läuft aus. Erdogan will zwei Dinge: Erstens sollen die Europäer mehr bezahlen und zweitens ihn im Kampf gegen Putin und Assad unterstützen.
Im Mittelmeer werden keine Menschen mehr gerettet. Vor Lesbos werden die Flüchtlingsboote abgefangen und zurückgeschickt. Und an der Grenze zwischen Griechenland und der Türkei wird die Flüchtlingskonvention mit Füssen getreten. Europa ist inzwischen eine Festung mit einem eiskalten Herz. Orban und die anderen Fremdenfeinde haben sich durchgesetzt. Eine Schande. Wer – wie der Westen – mehrere Kriege angezettelt hat, wer all diese Kriege verloren hat, muss seine selbst verschuldeten Niederlagen eingestehen. Gesichtsverlust hin oder her. Und drei Dinge tun:
Kohle auf den Tisch: Länder wie die Türkei und der Libanon, die zusammen dreimal so viele Flüchtlinge wie die gesamte EU aufgenommen haben, müssen grosszügig unterstützt werden. Wenn die so gewährte Milliarden-Hilfe den Flüchtlingen zugutekommt.
Sanktionen lockern: Die Sanktionen gegen Russland müssen schrittweise aufgehoben werden, wenn Putin im Norden Syriens eine demilitarisierte, von der UNO kontrollierte Zone schafft. Putin wird das machen, wenn es sich für ihn rechnet.
Griechen helfen: Es gibt im Mittelmeer viele unbewohnte Inseln. Man kann und muss auf diesen blühende Städte für die in Griechenland festsitzenden Flüchtlinge schaffen.
Die EU muss und wird absehbar diese Probleme lösen. Wir Schweizerinnen und Schweizer sicher nicht.
Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller
Reisefieber am Bosporus
Mit Menschen ist er freizügig, der türkische Sultan. Er schiebt sie hin, er schiebt sie her, er schiebt sie ab. Von der letzten grossen Flüchtlingswelle traumatisiert, lassen es sich «Wir-schaffen-das-Merkel» und die EU seit Jahren Milliarden kosten, damit Erdogan die Reisefreudigkeit der Syrer einschränkt, die insbesondere unter seiner Mitwirkung zu Flüchtlingen geworden sind. Während der Glanzzeit des IS betrieb er auch schon mal Erdölfreizügigkeit, um den schwarz vermummten Wüstenkriegern ihre Eroberungszüge, Enthauptungen und Steinigungen zu finanzieren. Jetzt behauptet er händeringend, eine humanitäre Katastrophe auf fremdem Staatsboden verhindern zu wollen.
Da die Türkei Mitglied der NATO ist, erhofft sich Erdogan in Idleb ihren Sukkurs, um die letzte Bastion der Al-Kaida-Terroristen auf syrischem Boden zu retten, die er als Waffe gegen die Aleviten und Kurden aufgepäppelt hat.
Die Amis wollen jedoch nicht mehr so, wie Recep Tayyib gerne möchte, und die EU kann aus Schwäche nicht. Zudem kauft das NATO-Mitglied Türkei russische Luftabwehrraketen ein, just jene Waffe, die der NATO ihre Luftüberlegenheit gekostet und deren völkerrechtswidrige Präsenz in Syrien beendet hat.
Da sich Erdogan bei der Unterstützung seiner Satrapen in Idleb allein gelassen fühlt, hat er nun zur Migrationswaffe gegriffen und sich in einen fürsorglichen Reisebegleiter verwandelt, der busweise Überschreitungen der dicht sein sollenden Südgrenze des EU-Freizügigkeitsparadieses organisiert.
Die menschenfreundliche, von Toleranz und offenen Grenzen schwärmende EU bezichtigt den bösen Erdogan der Erpressung und will partout das Loch in ihrer Südgrenze stopfen. Von der Leyen erinnert die Griechen an Leonidas und ermuntert sie, den «grossen kleinen Grenzverkehr» am Bosporus zu unterbinden. Freizügig will man schon sein, aber nur in engem Kreis, als Dumpingübung unter Freunden. Grenzenlos will man schon sein, aber nur nach innen, um des Profits willen, aber doch nicht nach aussen. Und von einem EU-Beitritt der 120 Millionen Türken ist in Brüssel sowieso niemand mehr erbaut, weil der kranke Mann am Bosporus eine ideale Pufferzone gegen die Personenfreizügigkeit aus dem Süden darstellt.
Zumindest im «Good Night Inn» in Brig sollten die Heerscharen integrationswütiger Moslems jedoch einen guten Empfang finden, weil der rote Peter allen schwarzen Petern der Welt sicher gerne Türen und Tore öffnet, sofern ihm die gebotene Unterkunft vom Steuerzahler berappt wird. Ist doch fein, die lukrative Solidarität.
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