Polemik | Gedanken zum nationalen Frauenstreik
Frauenstreik: Bitte mehr Realismus!
Hunderttausende Frauen haben vor knapp zwei Wochen für oder gegen alles Mögliche gestreikt. Was bleibt von diesem Aufmarsch? Vor allem eins: die Erkenntnis, dass mehr Realismus der Diskussion guttun würde. Eine Polemik.
«Gleicher Lohn für gleiche Arbeit» war eine der zentralen Forderungen des nationalen Frauenstreiks am
14. Juni 2019. Frauen seien in der Schweiz nach wie vor einer strukturellen Lohndiskriminierung ausgesetzt, so der Tenor. SPO-Nationalratskandidatin Giuliana Foken beschrieb das vermeintliche Phänomen Anfang der Woche im «Walliser Boten» mit einer Zeitrechnung. Frauen, so Foken, würden ab 15.24 Uhr nicht mehr bezahlt, müssten aber dennoch bis 17.00 Uhr arbeiten.
Die 20-Prozent-Lüge
Damit spielt die Nationalratskandidatin der Linken auf die ominösen, vermeintlich geschlechterbedingten 20 Prozent Lohnunterschied zwischen Mann und Frau in diesem Land an. Dumm nur, dass längst klar ist, und man kann es gar nicht oft genug betonen, dass diese 20 Prozent ein Märchen sind. Längst wurde bewiesen, dass der unerklärliche Unterschied, wenn überhaupt, bei 7,7 Prozent liegt. «Lohndiskriminierung ist nicht nachweisbar», titelte der «Tages-Anzeiger», allgemein nicht bekannt für eine reaktionäre Haltung, denn auch vor Kurzem. Die Zeitung berief sich in ihrem Artikel auf eine Studie der Professorin Christina Felfe von der Universität St. Gallen. «Den unerklärten Anteil der Lohndifferenzen rein als Lohndiskriminierung zu interpretieren, ist auf Basis einer statistischen Analyse nicht möglich», hält die Studie fest. Demnach sei nicht zulässig, von einer Lohndiskriminierung von 7,7 Prozent zu sprechen. Allerdings könne auch nicht ausgeschlossen werden, dass die 7,7 Prozent Lohnunterschied nicht aufgrund einer geschlechterbedingten Diskriminierung zustande kämen, so die Professorin weiter.
Die Fakten bitte!
Nichtsdestotrotz hält sich die Zahl von 20 Prozent wie Kaugummi am Schuh. Gefeit davor, dieses erklärtermassen falsche Argument zu reproduzieren, sind dabei nicht einmal Leute, die es definitiv besser wissen müssten. Selbst SRF-Wirtschaftsjournalistin Patrizia Laeri, nach eigenen Angaben eine Frau der Zahlen, musste sich in der Sendung «Club» von Arbeitgeberpräsident Valentin Vogt korrigieren lassen. Überhaupt ist die Diskussion über das Zusammenleben der Geschlechter geprägt von allerlei Halb- und Unwahrheiten. Wenn eine
Nationalratskandidatin den Unterschied zwischen Gleichberechtigung (in der Schweiz Realität) und Gleichstellung (lässt sich diskutieren) nicht kennt, so kann kaum ein lösungsorientierter Diskurs entstehen. Wer mit einem nachweislich falschen Argument Politik machen will, braucht sich nicht zu wundern, wenn er nicht ernst genommen wird. Ähnliches gilt auch für Forderungen, die fernab jeglichen Realitätsbezugs daherkommen. Wer mehr Zeit und gleichzeitig mehr Lohn fordert, disqualifiziert sich für eine Diskussion über eine Welt, die den Prinzipien der Kausalität folgt. Wer mehr Freizeit hat, hat weniger Geld, so einfach ist das und das wird sich auch nicht ändern. Gleichermassen sinnlos ist es, das staatspolitische Gefüge ändern zu wollen, ohne jegliche Kenntnis darüber zu haben, wie jenes Konstrukt funktioniert. Wer mehr Lohn für Kita-Angestellte fordert, muss zwingend aufzeigen, woher dieses Geld kommen soll. Anlässlich des Streiks vermisste man jedoch konkrete Vorschläge. Vielmehr beschränkte man sich auf plakative Geschichten, die teilweise rein der Provokation dienten. «Wir sind die Töchter der Hexen, die ihr nicht verbrannt habt», ein Spruch, der auf der Demonstration in Sitten zu sehen war, sagt nichts anderes aus, als dass man Hass gegen Männer zu schüren gedenkt, anstatt wirklich an einer Verbesserung der Lage
interessiert ist.
Frau steht sich selbst im Weg
Die Diskussion basierend auf falschen Fakten und die Verleugnung universeller und staatspolitischer Prinzipien andererseits verhindert indes, dass sich am Zusammenleben der Geschlechter wirklich etwas ändert. Salopp gesagt steht sich frau selbst im Weg. Denn den wahren Gegnern der Anliegen der Frauen wird es so ziemlich leicht gemacht, jegliche Diskussion im Keim zu ersticken. Es braucht daher zwingend mehr Realismus und faktenbasiertes Argumentieren. Tragisch ist allerdings, dass gerade wenn Frauen selbst diesen Weg beschreiten wollen, es ihnen von anderen Frauen schwer gemacht wird. Doch vielleicht geht es ja darum? Schliesslich kann man sich so alle 30 Jahre zum Streik treffen, unrealistische Forderungen herumposaunen und am Abend nach Hause gehen, in dem vermeintlich guten Gefühl zu wissen, dass man selbst auf keinen Fall Teil des Problems ist.
Martin Meul
Artikel
Kommentare
Christian Schnidrig, Naters - ↑58↓22
Nanana. Da sind dem Schreiberling wohl die Pferde duchgegangen? Weils nicht 20% sondern 7.7% sind - sind die Forderungen unberechtigt? Quelle Tagi/Welt? Bezw. BWL-Professorin?
Aber Ihren "Artikel" bezeichnen Sie ja selber als "eine Polemik". Für mich ein ganz neues, journalistisches Stilmittel. Replik? Ok - Glosse? Ja - aber "eine Polemik"? Salopp gesagt sind Sie damit ein Teil des Problems im Journalismus und stehen sich selber im Weg. Eine Meinung.
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