Kolumne | Diese Woche zum Thema
Fristenlösung
Ist die Fristenlösung moralisch vertretbar? Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger im Wortgefecht.
Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller
Linke Todesengel
An ihrem Kongress von Anfang Dezember kam bei den deutschen Jungsozialisten ein Antrag durch, der aufhorchen lässt. Fortan sollen Frauen bis zum neunten Monat ungehindert ein völlig lebensfähiges, gesundes Kind in ihrem Bauch wegmachen können. Auf Staatskosten selbstverständlich, wie von «liberalen linken Kreisen» nicht anders zu erwarten. Wohlgemerkt: Den Antrag machte nicht irgendeine linksextreme Splitterpartei, sondern die 70000 Mitglieder zählende Jugendbewegung der zurzeit noch staatstragenden SPD. Hier ist sie, die von Nietzsche philosophisch untermauerte «Umwertung aller Werte»: Das Recht des Bauchs, also der Hülle, wird höher eingeschätzt als der Inhalt, das werdende Leben. Und der Staat soll für diesen institutionalisierten Mord auch noch bezahlen. Dass eine solche Barbarei im ach so aufgeklärten 21. Jahrhundert überhaupt erwogen wird, zeigt, wie weit unsere Gesellschaft jenseits von Gut und Böse in Gefilde abgedriftet ist, wo alles allem gleichgestellt ist, wo es keine Hierarchie der Werte mehr gibt und der Mensch selbst mal ein bisschen Herrgöttchen spielt. In einer Gesellschaft, wo lebensfähige Kinder bis am Tag vor ihrer biologischen Geburt ungestraft «ad patres» befördert werden können, steht die Welt philosophisch, ethisch und moralisch kopf, weil die Ideologie zur Wahrheit wird und die Fakten zu Lügen erklärt werden. Wo der Diskurs die Wirklichkeit fundiert, werden natürliche Prozesse als faschistoid betrachtet. Mehr noch: Wenn es der dominanten Ideologie nutzt, wird völlig dogmatisch ein Wert als absolut gesetzt, dem alle anderen sich unterordnen müssen.
«It’s a child – not a choice»
Damit dieses Husarenstück gelingt, muss, im Fall der Abtreibung, der Fötus als Kaulquappe entmenschlicht und zugleich der weibliche Bauch sakralisiert werden. Insofern sind die Zerstörung sogenannt «unwerten oder ungewollten Lebens», der Gulag und der Holocaust keine Fehlentwicklungen des linkstotalitären, kollektivistisch-egalitären Gedankenguts, sondern seine logische Konsequenz. Heideggers «Gestell» – eine menschliche Kopfgeburt – soll uneingeschränkt über die soziale Wirklichkeit herrschen. Wenn Paris eine Messe wert war, dann ist für die linken Freidenker die Freiheit des Gottmenschen sicher einen Opferfötus wert. Übrigens hätte auch das Kindlein zwischen Ochs und Esel abgetrieben gehört. Stellen Sie sich vor: ein uneheliches Kind ohne gesicherte Existenz, in einer Krippe bei dürftiger Heizung zu zweifelhafter Hygiene verdammt! Aus so einem konnte eh nichts Gescheites werden. Frohe Weihnachten!
Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier
Fristenlösung: Männer sollten das Maul halten
Brigitte Hauser-Süess hat es verdammt gut gemacht. Sie begleitete und beriet die dissidente Bundesrätin Evelyne Widmer-Schlumpf in schwierigen Dossiers. Danach war sie für und mit Doris Leuthard unterwegs. Und jetzt verhalf sie Viola Amherd in den Bundesrat. Eigentlich wäre sie die fähigere CVP-Bundesrätin gewesen. Vielleicht tritt sie nächstes Jahr in Brig gegen den sieben Jahre älteren Louis Ursprung an. Damit aus Brig wieder etwas wird. Die Scheinheiligen sind die Unheiligsten. Der Weinhändler Dominque Giroud hat viele weit rechts stehende Freunde: neben anderen Maurice Tornay, Jean-René Fournier und Oskar Freysinger. Als der Staat den Steuerhinterzieher erwischte, wollte Jean-Michel Cina das Gesetz nicht anwenden. Aufgrund eines Bundesgerichtsentscheides muss Giroud jetzt sieben Millionen Busse bezahlen. Seither ist es stiller um den Pius-Bruder, Weinpanscher und Fremdhacker geworden.
«Die Scheinheiligen sind die Unheiligsten»
Jene, die nicht alles vergessen und verdrängen, mögen sich erinnern: Brigitte Hauser-Süess war einst Präsidentin der CVP-Frauen Schweiz. Diese haben sich intensiv mit der Frage der Fristenlösung auseinandergesetzt. Und kamen zu folgenden Schlüssen: Niemand ist für Abtreibungen. Niemand treibt einfach so ab. Wer in einer schwierigen Lage ist, braucht kompetente Beratung. Wer in den ersten zwölf Wochen abtreibt, soll straffrei bleiben. Vernünftig so. Trotzdem startet Dominque Giroud eine absolut unanständige Plakatkampagne gegen Brigitte HauserSüess. Diese hat daraufhin beruflich das Wallis Richtung Bern verlassen. Ein Verlust für unseren Kanton. Die Position von Brigitte Hauser, die Position der CVP-Frauen Schweiz wird von der grossen Mehrheit der Oberwalliserinnen und Oberwalliser geteilt. Wir brauchen alles, nur keine neue Hetze in dieser Frage. Wem die Themen ausgehen, legt immer die gleichen alten Giroud-Platten auf. Wird die SPD in Deutschland untergehen? Vielleicht. Aber nicht wegen der Fristenlösung, sondern wegen Hartz IV. Was fordern die deutschen Juso in Sachen Abtreibung? Interessiert mich und 99,2 Prozent der Oberwalliserinnen und Oberwalliser einen feuchten Dreck. Aber das mit den neun Monaten ist natürlich eine AFD-Falschmeldung. Zurück zu den Fakten: Trotz der vom Volk 2002 hoch angenommenen Fristenlösung gab es nicht mehr, sondern weniger Abtreibungen. Wenn man diese Zahl weiter senken will, muss man unter anderem die Sexualaufklärung in den Schulen verbessern. Dagegen läuft die SVP landauf , landab Sturm. Diese Doppelmoral ist unerträglich. Die Scheinheiligsten sind die Unheiligsten. Und in Sachen Fristenlösung sollten wir Männer sowieso besser das Maul halten. Vorab während der hoffentlich halbwegs fröhlichen Festtage.
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