Visp | Pfarrer will mit 55 Jahren in die RS

Reformierter Pfarrer von Visp zieht in den «Krieg»

Am 4. Juli soll es losgehen. Pfarrer Tillmann Luther mit seinem Tauglichkeitsbericht.
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Am 4. Juli soll es losgehen. Pfarrer Tillmann Luther mit seinem Tauglichkeitsbericht.
Foto: RZ

Quelle: RZ 7

Tillmann Luther, reformierter Pfarrer von Visp, will im Sommer in die RS einrücken. Damit will der 55-Jährige etwas zurückgeben. Er wäre der älteste Rekrut aller Zeiten.

Pfarrer Tillmann Luther ist bereit. Bereit, in der Armee Dienst für sein Land zu leisten. Seit dem 7. Dezember 2015 hat der Deutsche die Schweizer Staatsbürgerschaft und nun soll es in die RS gehen. «Visp, das Wallis und die Schweiz haben mir so viel gegeben», sagt Pfarrer Luther. «Da ist es doch nur logisch, dass ich etwas zurückgebe.»

Zu wenig Armeeseelsorger

«Ich erhielt immer wieder Mails der Armee, dass man auf der Suche nach neuen Armeeseelsorgern sei, da der Truppe rund 100 davon fehlen», erklärt Luther. «Also dachte ich mir, ‹warum nicht?› und meldete mich nach dem Erhalt der Staatsbürgerschaft im letzten Jahr an.» Luthers Vorteil dabei: Für Armeeseelsorger gibt es keine Altersbegrenzungen und auch die Rekrutenschule muss nicht absolviert sein. Also stellte Pfarrer Luther die entsprechenden Anträge bei seiner Kirche und bei der Armee. Dazu gehörte auch die Überprüfung der medizinischen Tauglichkeit. «Ich habe mich auf Herz und Nieren testen lassen und bin nach den medizinischen Vorgaben der Armee für tauglich befunden worden», sagt Tillmann Luther.

Hartes Training für die RS

Blauäugig geht der reformierte Pfarrer von Visp das Unternehmen Rekrutenschule aber nicht an. «Mir war sofort klar, dass ich trainieren muss», sagt der 55-Jährige. «Jetzt gehe ich mehrere Male pro Woche ins Fitnessstudio und jogge zusätzlich.» Das ist auch nötig, denn Pfarrer Luther wird die ersten Wochen ganz normal mit den übrigen Rekruten verbringen. «Das wird hart, aber das Zusammensein mit den jungen Leuten ist einer der Hauptgründe, warum ich diesen Weg gehen möchte», erklärt Tillmann Luther. «Ich denke, dass die jungen Leute von mir profitieren können, genauso wie ich von ihnen Sachen mitnehmen kann.» Eines unterscheidet Luthers Ausbildung in der Armee aber von derjenigen seiner Mitrekruten, und zwar die Dauer. Luther muss «nur» drei Wochen RS machen. «Für Armeeseelsorger gilt ein verkürztes Programm», erklärt er. «Man beginnt mit ganz normalen drei Wochen RS, danach folgen drei Wochen Offiziersausbildung, eine Art Schnellbleiche.» Danach wird Tillmann Luther, wenn alles gut geht, den Rang eines Hauptmanns bekleiden.

Dienst an der Waffe ist kein Problem

Als Armeeseelsorger wird Luther verschiedenste Aufgaben übernehmen. «Die Armee ist ökumenisch, sprich es spielt keine Rolle, ob man reformiert oder katholisch ist», sagt der Pfarrer. «Alle Rekruten und Soldaten haben gemeinsame Seelsorger. Das ist sehr spannend, denn ich werde so viele Menschen betreuen können.» Ein grosser Kontrast zu Pfarrer Luthers ziviler Tätigkeit, denn im Wallis sind nur sechs Prozent der Menschen evangelischen Glaubens. «Ich habe bis jetzt einige Erfahrungen im Leben machen dürfen, als Pfarrer, aber auch als Coach für Firmen», sagt der Mann, der 2013 Europameister im Stehgreifreden wurde. «Jetzt kommt mit 55 Jahren nochmals etwas dazu, dem ich mit grosser Vorfreude entgegenblicke.» Zu den neuen Erfahrungen, die Luther machen wird, gehört auch der Dienst an der Waffe. «Es wird einen Tag geben, an dem wir schiessen werden.» Moralisch hat der Mann Gottes damit keine Probleme. «Im Neuen Testament wird von römischen Soldaten berichtet, die auch nach ihrem Übertritt zum Christentum Soldaten blieben, andere dagegen wählten eine pazifistische Linie», sagt Luther. «So gesehen sind beide Wege möglich und man muss für sich die Entscheidung treffen, ob es für einen selbst stimmt.» Für Luther stimmt es, und so will er am 4. Juli in die Rekrutenschule einrücken. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es anhin aber noch. «Leider habe ich bis jetzt noch keinen Marschbefehl erhalten», sagt Luther. «Ich warte jeden Tag sehnsüchtig darauf, bin aber zuversichtlich, dass der Befehl bald eintrifft.»

Vertretung geregelt

Sollte es dann so weit sein, wird Luther nach der Rekrutenschule und der Offiziersausbildung für die nächsten zehn Jahre zwei Wochen pro Jahr Dienst als Armeeseelsorger verrichten. In dieser Zeit wird er natürlich seinen Pflichten in seiner Pfarrei in Visp nicht nachkommen können. «Es ist schon alles geregelt», sagt er. «In dieser Zeit werde ich von einer Pfarrerin aus dem Unterwallis vertreten. Meine Kirche steht voll hinter meinem Vorhaben und unterstützt mich dabei.» Genauso wie Luthers Frau. Ein Rückzieher kommt für Pfarrer Tillmann Luther denn auch nicht infrage. «Ich will Visp, das Wallis und die Schweiz auf keinen Fall enttäuschen», sagt er mit Nachdruck. «Darum wird ein grosser Teil der kommenden Zeit mit schweisstreibenden Stunden gefüllt sein.»

Martin Meul

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Kommentare

  • luwa - 32

    Oh du fröhlicher Krieger!

  • Klaus Hensel - 727

    Sehr geehrter Herr T. Luther,

    wie sieht's denn mit Ihrer Dankbarkeit gegenüber Deutschland aus?
    Dort mussten Sie für Ihr Studium sicher keine 3.000,-CHF pro Semester Studiengebühren bezahlen. Ihre Ausbildung, die die Schweiz nichts gekostet hat und dieser nun zur Verfügung steht, hat der deutsche Steuerzahler bezahlt.
    Vielleicht auch daran mal denken, wenn's Ihnen so wichtig ist, etwas von dem viel erhaltenen zurückzugeben.

    • christian - 30

      ihre wortmeldungen finde ich normalerweise sehr gut. aber hier wirken sie doch sehr kleinlich, nationalistisch... es entbehrt nicht einer gewissen lächerlichkeit wenn man immer die rechtsnationalen parteien/politiker angreift und hier wegen einem einzelfall sich derart aufregen kann...
      vielleicht gibt es auch schweizer die in deutschland arbeiten und viele steuern generieren obwohl die schweiz ihre ausbildung bezahlt hat... an den schweizer unis sind ja nicht wenige ausländischs studenten, die von unseren steuern profitieren.
      abgesehen davon ist mir kein einziges studium an einer schweizer uni bekannt wo solch hohe semestergebühren zu bezahlen sind. die zahl können sie mal dritteln und dann sind wir bei realistischen annahmen. was der student den staat dann genau kostet, bei dem unterschiedlichen lohnniveau etc. sei dahingestellt...

    • Outsider - 42

      Kleinlich, sehr kleinlich, dieses Spiessbürgerdenken. Wer Pfarrer Luther persönlich kennt, würde nicht auf diese Krämergedanken kommen.

  • Markus Stichler - 718

    Bravo!
    Ein Vorzeigebeispiel für gelungene Integration!
    Daran sollten sich alle Ausländer mal eine dicke Scheibe von abschneiden!
    Ich bin ja sogar der Meinung, dass eine absolvierte Armeezeit Grundvorraussetzung für eine etwaige Einbürgerung zum wahren Schweizer ist, und nicht erst freiwillig im Nachhinein geleistet werden kann.

    2 Fragen hätt' ich noch:

    1.) Man erkläre mir mal bitte, was genau Herr Luther von Visp, dem Wallis und der Schweiz ausser seinem Gehalt für seinen Job erhalten hat, was er nun mittels eines RD zurückgeben will und kann.

    2.) Hat Herr Luther nicht bereits schon seinen Wehrdienst bei der deutschen Bundeswehr geleistet?
    Die suchen nämlich auch Feldpfarrer, und zwar in Gebieten realer Kampfeinsätze, um die Grenzen Europas und somit auch der Schweiz aktiv zu schützen.

    • Outsider - 40

      Pfarrer Luther, den ich persönlich sehr gut kenne, wiegelt sicher nicht ab, was er bekommen hat und was nicht. Er ist Schweizer geworden und weiss das sehr zu schätzen und er fühlt sich hier unter den Wallisern sehr wohl. Er gehört nicht zu den uns ständig belehrenden Teutonen, die jeden 2. Satz mit "bei uns in Deutschland" beginnen und jeden dritten Satz mit "man sollte dies und jenes ändern" beenden. Pfarrer Luther ist ein perfektes Beispiel für gelungene Integration schon innerhalb der gleichen Generation.......

    • RZ-Redaktion - 212

      Guten Tag Herr Stichler

      1. Was Herr Luther erhalten hat, müssen Sie ihn selbst fragen.

      2. Bezüglich Wehrdienst in Deutschland. Herr Luther wurde damals nicht genommen, mit der Begründung, man habe genug Seelsorger in der Bundeswehr. Hätte er Dienst in der Bundeswehr geleistet, wäre ein Dienst in der Schweizer Armee gar nicht mehr möglich.

      Freundliche Grüsse RZ-Redaktion

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