Region | Wallis
Sterbehilfe: Waadt als Vorbild fürs Wallis?
Wie soll die Sterbehilfe in Walliser Spitälern und Altersheimen geregelt werden? Eine Motion im Grossen Rat fordert eine Regelung nach dem relativ liberalen Waadtländer Modell.
Ein Bundesgerichtsurteil hat 2006 bestätigt, dass jeder Einzelne frei über seinen Tod entscheiden kann. Die Artikel 10 und 13 der Bundesverfassung gewährleisten das Recht auf Selbstbestimmung. Konkret kann sich jeder Mensch in seinen eigenen vier Wänden an einen Sterbehilfeverein wenden. Denn anders als in den meisten europäischen Ländern ist Suizidbeihilfe in der Schweiz nicht illegal. Doch die Frage, inwieweit Sterbehilfeorganisationen Zutritt zu Kliniken und Heimen erhalten sollen, ist gesetzlich nicht geregelt. Geht es nach dem Willen des Unterwalliser FDP-Grossrats Xavier Mottet, soll sich das im Wallis nun ändern. In seiner Motion verlangt er, das Gesundheitsgesetz entsprechend anzupassen. «Es ist an der Zeit und wichtig, dass endlich im Grossen Rat über diese Thematik debattiert wird», betont SVP-Grossrat Patrick Hildbrand, der die Motion mitunterzeichnet hat. «Es sollen Richtlinien ausgearbeitet werden im Gesundheitsgesetz, welche die Sterbehilfe in Spitälern sowie Alters- und Pflegeheimen regeln», sagt Hildbrand und verweist auf den Kanton Waadt, wo schon ein Gesetz existiert, das Sterbehilfe in Spitälern und Altersheimen unter strengen Bedingungen erlaubt.
Waadtländer Modell
Das Waadtländer Modell sieht folgende Grundregeln vor: Jede Person, die um Sterbehilfe bittet, muss an einer unheilbaren Krankheit leiden und urteilsfähig sein. Im Einvernehmen mit dem Pflegeteam, dem behandelnden Arzt und den von der Person bezeichneten Verwandten muss der zuständige Heim- oder Oberarzt sicherstellen, dass diese Kriterien erfüllt sind. Das Palliativangebot muss mit dem Patienten besprochen worden sein. Die Sterbehilfe darf weder vom Heimpersonal noch vom zuständigen Arzt geleistet werden. Nun ist die Beihilfe zum Suizid eine gesellschaftlich, rechtlich und ethisch sehr komplexe Problematik. Die Nationale Ethikkommission im Bereich der Humanmedizin beschäftigt sich seit 2002 intensiv mit dem Thema und erkennt in der Beihilfe zum Suizid eine tief liegende Ambivalenz. Sie führt bei Mitmenschen und in besonderem Masse bei Angehörigen von Heilberufen zu einem Zielkonflikt. Viele Schweizer Spitäler klammern die Freitodhilfe aus, weil diese ihrer Ansicht nach nicht zu ihrem Auftrag gehört. Einzig der Kanton Neuenburg kennt bisher eine ähnliche gesetzliche Regelung wie die Waadt.
Offene Frage bei Spital Rennaz
Interessant wird sein, wie das Thema im waadtländischen Rennaz geregelt wird, wo die Kantone Waadt und Wallis ab 2018 ein gemeinsames Spital betreiben wollen. Im Moment beschäftigt sich laut Staatsrätin Esther Waeber-Kalbermatten eine Arbeitsgruppe damit, wie die unterschiedlichen kantonalen Gesetze im künftigen Spital gehandhabt werden sollen.
Basel-Stadt und Bern sagten «Nein»
Ähnliche Motionen wie im Wallis wurden kürzlich in den Kantonen Bern und Basel-Stadt diskutiert. Der Grosse Rat von Basel-Stadt lehnte 2015 eine entsprechende Motion denkbar knapp mit einer Stimme Differenz ab. Mitentscheidend war dabei die Haltung der Pflegeheime. Diese hatten mitgeteilt, dass sie einen Zwang ablehnten und dies zum Teil auch ihrem Personal nicht zumuten möchten. Auch die Berner Regierung beschloss Ende 2015, keine gesetzliche Regelung zum begleiteten Suizid in Alters- und Pflegeheimen vorzuschlagen, und argumentierte, man dürfe Institutionen nicht per Gesetz dazu verpflichten, den assistierten Suizid in ihren Räumlichkeiten zuzulassen. Diese Meinung teilt auch Reinhard Venetz, Direktor des Seniorenzentrums Naters: «Im Kanton Wallis braucht es ein kantonales Konzept im Zusammenhang mit der Sterbehilfe, wobei aber jedes Heim autonom entscheiden darf.» Im Seniorenzentrum Naters wird beim Eintritt schriftlich vereinbart, dass Sterbehilfeorganisationen keinen Zutritt erhalten.
Frank O. Salzgeber
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