Region | Abstimmungskampf in vollem Gang

Was hilft dem Service public?

Die Initianten werfen Betrieben wie der Post vor, immer mehr Leistungen abzubauen.
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Die Initianten werfen Betrieben wie der Post vor, immer mehr Leistungen abzubauen.
Foto: RZ-Archiv

Quelle: RZ 0

An der «Pro Service public»-Initiative scheiden sich die Geister. Wollen Befürworter so den Service verbessern, bezeichnen Gegner die Initiative als irreführend und kontraproduktiv.

Der Service public, dazu zählt die Grundversorgung insbesondere in den Bereichen öffentlicher Verkehr, Post und Telekommunikation, hat in der Schweiz einen besonderen Stellenwert. Die Bevölkerung erwartet, dass alle Regionen der Schweiz gut versorgt werden. Auch jene, wo es sich betriebswirtschaftlich nicht lohnt.

Service vor Gewinn

Laut Meinung der Initianten ist der Service public schlechter geworden. Sie verweisen auf die 1748 geschlossenen Poststellen oder die 5000 verschwundenen Post-Briefkästen in den vergangenen Jahren. Das Zugfahren wird immer teurer, während der Service sinkt. Bei der SBB kostet heute ein Generalabo 2. Klasse über 500 Franken mehr als noch vor fünf Jahren. Und auch die Swisscom mache nur mit Höchsttarifen von sich reden. Gleichzeitig machen diese Bundesunternehmen Post, SBB und Swisscom Millionengewinne und ihre Manager werden viel besser entlöhnt als ein Bundesrat. Die Initianten sehen einen Zielkonflikt zwischen Gewinnstreben und Servicequalität. Gerade in abgeschiedenen Regionen sei die Bereitstellung von Infrastrukturgütern und -dienstleistungen oft nicht rentabel und deshalb für private Firmen uninteressant. Hier setzt die vom Konsumentenmagazin «K-Tipp» eingereichte Volksinitiative «Pro Service public» an. Sie verlangt, dass der Leistungs- und Qualitätsabbau im Service public gestoppt wird und die Löhne im Topmanagement von bundesnahen Betrieben reduziert werden. Gewinne sollen in den Bundesbetrieben bleiben und dort für deren Erhaltung und Verbesserung reinvestiert werden. Heute würden alle Überschüsse in die Bundeskasse abflies­sen. «Die Bundesbetriebe müssen wieder einen anständigen Service zu vernünftigen Preisen bieten. Das Ziel muss das Gemeinwohl und nicht der maximale Gewinn sein», sagt Mitinitiant Peter Salvisberg.

«Gigantisches Eigentor»

Auch für die Gegner der Initiative ist ein guter und zuverlässiger Service public in der Schweiz sehr wichtig. Kein Land in Europa verfügt über ein dichteres Netz an Poststellen und Postagenturen, die Schweiz ist führend bei den flächendeckend garantierten Internetgeschwindigkeiten, und die SBB zählt zu den pünktlichsten Bahnen der Welt. Die Versorgung aller Regionen des Landes ist sichergestellt. Damit dies so bleibt, brauchen die betroffenen Unternehmen gute Rahmenbedingungen und unternehmerische Freiheiten. All dies setze die Initiative aufs Spiel. Den von den Initianten geforderten Weg betrachten die Gegner als untauglich, unnötig, ja sogar als kontraproduktiv. Thomas Egger, Mitglied vom Gegenkomitee, spricht von einem «gigantischen Eigentor», von einer «Contra-Service-public-Initiative». Bei Annahme der Initiative am 5. Juni würden die bundesnahen Unternehmen geschwächt und damit der Service public gefährdet. Das sehen auch Bundesrat und Parlament so. Die Initiative wird von allen Parteien abgelehnt und erhielt im Parlament keine einzige Ja-Stimme. Viel mehr Sympathie bringt ihr dagegen die Bevölkerung entgegen. In Meinungsumfragen liegen die Befürworter vorn.

Pro: Peter Salvisberg, Initiativkomitee «Pro Service public»

Post & Co. gehören dem Schweizer Volk, nicht deren Chefs!

In den letzten Jahren schlossen 1800 Poststellen – mehr als die Hälfte aller Filialen, viele davon in Walliser Bergdörfern. Dafür machte die Post Riesengewinne: in fünf Jahren insgesamt 4,9 Milliarden Franken. Bei der SBB gehen die Preise im Dezember schon wieder um drei Prozent rauf, obwohl die Züge immer voller werden. Die Swisscom: Ihre Gewinne betrugen in den Jahren 2010 bis 2014 insgesamt 7,7 Milliarden Franken. Derzeit baut sie im Unterland das Glasfasernetz aus und lässt die Bergregionen links liegen.
Ein Ja heisst Solidarität. Quersubventionierungen in schwächere Regionen sind nötiger denn je. Die Milliardengewinne von Post und Swisscom bezahlen wir Schweizerinnen und Schweizer. Uns gehören die Bundesbetriebe, endlich können wir mitbestimmen. Die Initiative verlangt für die Grundversorgung aller Gebiete in der Schweiz: Service vor Gewinn! Post, SBB, Swisscom & Co. sollen einen anständigen Service zu vernünftigen Preisen bieten – statt einen möglichst hohen Gewinn anzustreben. Zudem bekämpft die Initiative die Abzocker-Mentalität in den Führungsetagen der Bundesbetriebe: Swisscom-Chef Schäppi etwa erhielt letztes Jahr 1,8 Millionen Franken. Die Manager der Bundesbetriebe sollen nicht mehr verdienen dürfen als ein Bundesrat: 475 000 Franken. Ja am 5. Juni zu einem starken Service public.

Contra: Thomas Egger, Direktor SAB

Irreführend und kontraproduktiv

Selten war der Titel einer Initiative so irreführend wie jener der sogenannten «Pro Service public» Initiative. Die Initianten kritisieren verdreckte Züge und hohe Managerlöhne. Doch wer den Text der Initiative liest, wird schnell feststellen, dass diese Initiative gar keine Lösungen liefert. Bei einer Annahme wird keine einzige neue Poststelle geöffnet, kein zusätzliches Angebot im Regionalverkehr geschaffen und kein zusätzlicher Rappen in den Breitbandausbau investiert. Im Gegenteil: Uns droht ein massiver Abbau in genau diesen Bereichen. Konkretes Beispiel? Wenn ein Betrieb wie die Swisscom keinen Gewinn mehr erzielen darf, wird sie auch nicht mehr in den Ausbau des Glasfasernetzes im Oberwallis investieren. Die Initiative wird damit genau das Gegenteil von dem bewirken, was der irreführende Titel verspricht: Unsere Grundversorgung wird akut gefährdet. Der unklar formulierte Initiativtext wird zudem jahrelange Streitigkeiten über dessen Interpretation auslösen. Die daraus resultierende Rechtsunsicherheit ist Gift für die Service-public-Unternehmen, aber auch für uns als Benutzer der Grundversorgungsleistungen. Was so eine anhaltende Rechtsunsicherheit bewirken kann, haben wir bei der Zweitwohnungsinitiative erlebt. Deshalb gibt es nur eine Antwort auf diese irreführende und schädliche Initiative: Nein!

Frank O. Salzgeber

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