Kolumne | Diese Woche zum Thema:

Was lehren uns die Schwedendemokraten?

Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben in der Rhonezeitung.
1/1

Peter Bodenmann und Oskar Freysinger schreiben in der Rhonezeitung.
Foto: Mengis Media

Quelle: RZ 0

Der ehemalige SP-Schweiz-Präsident und Hotelier Peter Bodenmann und Alt-Staatsrat und Schriftsteller Oskar Freysinger im Wortgefecht.

Peter Bodenmann, ehemaliger SP-Schweiz-Präsident und Hotelier

Salvini, Le Pen, Strache und Co. wollen in der EU bleiben

Die Schwedendemokraten sind so fremdenfeindlich wie die SVP. Bisher war für sie klar: raus aus der EU mittels einer Volksabstimmung. Die gleiche Position vertrat die schwedische Linkspartei.

Jetzt haben beide Parteien eine Spitzkehre im Gegenhang gemacht. Neu wollen Schwedens harte Rechte wie Schwedens harte Linke in der EU bleiben, um diese von innen heraus zu verändern.

Der Schwenk der Schwedendemokraten ist keine Ausnahme, sondern die neue Regel:

Matteo Salvini, der starke Mann der Lega und der italienischen Regierung, will nicht nur in der EU bleiben, sondern auch den Euro beibehalten. Entgegen seinen bisherigen Versprechungen.

In Frankreich will Marine Le Pen nichts mehr mit ihrem Vater und auch nichts mit dem für sie zu weit rechts stehenden Oskar Freysinger zu tun haben. Marine ist neu für die EU und den Euro.

«Marine Le Pen will nichts mehr vom Papa und von Freysinger wissen»

Gleiches Bild in Österreich. Die Freiheitlichen unter Heinz-Christian Strache rühren keinen müden Finger, um Theresa May bei ihrem Kampf in Sachen Brexit wenigstens ein bisschen zu helfen.

Und der britische Labour-Chef Jeremy Corbin fordert jetzt neu ein zweites Referendum.

Wir haben es mit einer radikal neuen Ausgangslage zu tun. Die Gründe:

Brutaler Machtkampf: Zwischen den USA und China tobt ein offener und brutaler Machtkampf. Alle Regeln des freien Handels sind für Trump warme Luft. Die WTO spielt keine Rolle mehr. Ohne EU würde Europa sang- und klanglos untergehen. Mit der EU etwas weniger.

Der Brexit: Die Befürworter des Brexit hatten und haben kein Konzept. Alle Versprechen – wie etwa mehr Geld für das Gesundheitswesen – waren heisse Luft. Theresa May hat längst die Pedale verloren. Das Theater um den Brexit macht rechten und linken EU-Gegnern in andern Ländern Angst.

Viktor Orban: Ich finde die Politik von Viktor Orban zum Kotzen. Aber er hat sich in der Flüchtlingsfrage gegen Merkel und Macron durchgesetzt. Leider. Europa wird zu einer Festung. Deshalb haben wir weniger Asylsuchende. Kleine Länder tanzen in der EU nicht – wie dies die SVP behauptet – nach der Pfeife der Grossen.

Die ausländischen Freunde der SVP wittern Morgenluft. Aber in der EU und nicht ausserhalb. Nur die SVP nimmt die neue Ausgangslage noch nicht wahr. Deshalb will sie alle kantonalen Parlamente über eine chancenlose Standesinitiative abstimmen lassen. So auch im Wallis. Das ist Kasperlitheater.

Das Wallis lebt vom Export. Es braucht ein Rahmenabkommen. Die Lohnabhängigen brauchen mehr flankierende Massnahmen wie den Schutz der Löhne. Sässe Pascal Couchepin anstelle von Guy Parmelin im Bundesrat, hätten wir das Abkommen längst schon EU-kompatibel unter Dach und Fach.


Oskar Freysinger, ehemaliger SVP-Staatsrat und Schriftsteller

Was lehren uns die Schwedendemokraten?

Die Schwedendemokraten, die in den letztjährigen Wahlen 20 Sitze dazugewinnen konnten, sind nicht die Ursache der Probleme, mit denen Schweden zu kämpfen hat, sondern die Folge davon. Da die traditionellen Blöcke nicht in der Lage sind, unter anderem die Migrationspolitik und die damit zusammenhängende katastrophale Kriminalität unter Kontrolle zu bekommen (misslungene Integration, Sozialschmarotzertum und Bildung von Parallelgesellschaften, Beispiel Malmö), stimmen immer mehr Bürger für die Schwedendemokraten. Da aber keiner der politischen Blöcke mit dieser als «anrüchig» betrachteten Partei etwas zu tun haben will, entsteht eine Pattsituation mit einem «Spielverderber» und zwei etwa gleich starken Blöcken rechts und links der Mitte.

Kürzlich ist es Stefan Löfven, dem bisherigen sozialdemokratischen Premierminister, endlich doch noch gelungen, den bürgerlichen Viererblock zu sprengen und mit der Zentrumspartei und den Liberalen eine 73 Punkte umfassende Vereinbarung zu treffen, um aufgrund des «negativen Parlamentarismus» (es braucht in Schweden weder für das Amt des Ministerpräsidenten noch für eine Regierungsbildung eine Mehrheit) eine Minderheitsregierung zu bilden. Resultat: Alle beteiligten Parteien mussten massiv Wahlversprechen brechen und das abstruse Gebilde steht unter der Gefahr ständigen Zusammenbruchs, weil sowohl die mit einbezogenen Kommunisten (mit denen die Sozialdemokraten bisher nichts zu tun haben wollten) als auch die bürgerlichen Abtrünnigen bei der ersten Uneinigkeit abzuspringen drohen.

Dabei hätte der bürgerliche Block mit den Schwedendemokraten zusammen eine solide Mehrheit bilden können, wie das die ÖVP und die FPÖ in Österreich äusserst erfolgreich vorgemacht haben. Wie auch immer, der Ausschluss einer starken, demokratisch legitimierten politischen Kraft hat seinen Preis. Da die neue Regierung aufgrund der vertrackten Situation kaum handlungsfähig sein wird, werden die Schwedendemokraten weiter erstarken und schliesslich dann doch einbezogen werden müssen. Warum also nicht sofort? Da lobe ich mir das Schweizer System, in dessen Parlament und Regierung die stärksten politischen Kräfte allesamt vertreten sind.

Das schwedische Trauerspiel lehrt uns Schweizer eines: Wir müssen an der direkten Demokratie, am Föderalismus und an der vielfältigen Gewaltentrennung mit Einbeziehung aller signifikanten politischen Kräfte festhalten. Eine Anbindung an die EU durch einen Kolonialvertrag würde unsere Institutionen massiv gefährden.

Artikel

Kommentare

Noch kein Kommentar

Kommentar

schreiben

Loggen Sie sich ein, um Kommentare schreiben zu können.

zum Login

Sitemap

Impressum

MENGIS GRUPPE

Pomonastrasse 12
3930 Visp
Tel. +41 (0)27 948 30 30
Fax. +41 (0)27 948 30 31